French
German
 
Seite zur Sammlung hinzufügen
'Vom Zweiten Weltkrieg bis zum Referendum 1955'
 
1 Seite(n) in der Sammlung
 
 
 
 
 

Vom Zweiten Weltkrieg bis zum Referendum 1955

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Saarfrage trotz des klaren Votums der Saar-Bevölkerung von 1935 neu gestellt. Den Anlass dafür bildete die unmittelbar nach dem Krieg schrittweise vorgenommene Abtrennung der Saar von der französischen Besatzungszone [1]  und die auf Initiative und mit Unterstützung Frankreichs durchgeführte Gründung eines teilautonomen Saarstaates. Schon der Entscheidungsprozess auf französischer Seite, der in dieser neuen Saarpolitik [2]  mündete, verdeutlicht durch seine Komplexität die Vielschichtigkeit der Interessenlagen, Motive und äußeren Einflüsse in der Saarfrage. Dabei ist für diese Zeit insofern von einer Kurskorrektur zu sprechen, als auf Annexion ausgerichtete Zielsetzungen, die in der französischen Öffentlichkeit breit diskutiert wurden, nach 1945 zu keinem Zeitpunkt den Rang einer offiziellen und auf Verwaltungsebene auch zur Umsetzung vorbereiteten Politik erlangten.

Abbildung 9:

Saarland Grenzpolizei.

Im Dezember 1946 gliedert Frankreich das Saarland wirtschaftlich aus seiner Besatzungszone aus und errichtet eine Zollgrenze. Saarland, 1947-1957 

Internet-Quelle [3]

Allerdings wurden das Sicherheitsbedürfnis und die ökonomischen Interessen Frankreichs im Bereich der Saar durch besonders weitreichende Kontroll- und Einflussmechanismen administrativ und politisch verwirklicht. In den Vordergrund traten insbesondere in der Politik der Pariser Zentrale die ökonomischen Ziele, die auf eine Integration des schwerindustriellen Potenzials der Saar ausgerichtet waren. Diese Politik führte bereits im Verhältnis mit der Saarbrücker Vertretung Frankreichs unter Leitung des Délégué Supérieure und späteren Hohen Kommissars Gilbert Grandval zu Problemen, in dessen Vorstellungen der Gedanke der Schaffung eines autonomen Saarlandes als Musterprojekt französischer Demokratisierungspolitik eine wichtige Rolle spielte. Gravierende Probleme entstanden aber auch auf der Ebene der gemeinsamen Gremien der Alliierten, wo einseitige französische Maßnahmen kritisch verfolgt und teilweise sogar - wie z.B. die territoriale Erweiterung des Saarlandes [4]  - verhindert wurden. 

Abbildung 10:

Das Saarland im Jahre 1789

 

 

 

 

Quelle: Armin Heinen, Saarjahre. Politik und Wirtschaft im Saarland 1945-1955, Stuttgart 1996, S. 191. 

 

Neue Probleme tauchten mit der Gründung der beiden deutschen Teilstaaten auf. Insbesondere von bundesdeutscher Seite wurde gegen die neuerliche Abtrennung der Saar mit dem Leitziel der Wiedervereinigung und der territorialen Integrität Deutschlands argumentiert. Diese Argumente stützten oppositionelle Kräfte innerhalb des Saarlandes, deren anfängliche Kritik an der Ausgestaltung der Autonomie zunehmend auch von nationalen, prodeutschen und antifranzösischen Argumenten überlagert wurde. Als gänzlich neuer Aspekt der Saarfrage trat die europäische Dimension hinzu: Die Befürworter des eigenständigen Saarstaates verstanden ihr Projekt als konkrete Umsetzung der Vision einer europäischen Zusammenarbeit [5] , deren Notwendigkeit als Lehre aus der Geschichte - unter anderem auch der Saarfrage - angesehen wurde. Allerdings scheiterten die Versuche, auf dem Weg der europäischen Integration eine völkerrechtliche Absicherung des Sonderstatuts der Saar zu erreichen. Die mit der Europarat-Aufnahme [6]  des Saarlandes als assoziiertes Mitglied und mit seiner speziell konstruierten Teilnahme an der Montanunion [7]  erreichten Teilerfolge stellten die Legitimation der europäischen Ausrichtung der Politik sogar weiter in Frage. Allerdings wurde aus diesem Politik-Ansatz nach jahrelangem politischen und diplomatischen Ringen ein erster einvernehmlicher Lösungsansatz für die Saarfrage entwickelt, als im Oktober 1954 ein Vertrag zwischen Deutschland und Frankreich [8] ein europäisches Statut für das Saarland als gemeinsames Ziel fixierte. Dieser Vertrag basierte ursprünglich auf einem Vorschlag des niederländischen Europarat-Delegierten Marinus van der Goes van Naters [9]

Auf Wunsch Frankreichs hin sollte dieses Statut sogar durch ein Referendum, also eine neuerliche Volksentscheidung, untermauert werden. Die Überzeugungskraft der europäischen Lösung erwies sich jedoch nach dem öffentlichkeitswirksamen Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und der danach eingetretenen Stockung des europäischen Integrationsprozesses als zu gering. Ein autonomer Saarstaat als Vorreiter für ein Europa, das in den Anfängen staatlicher Integration stecken blieb - dieses Konzept konnte bei dem Referendum von 1955 keine Mehrheit finden.