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'Memorandum de Monnet'
 
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Aus dem Monnet-Memorandum vom 3. Mai 1950

II. Die Lage in Deutschland entwickelt sich rasch zu einer gefährlichen Krebskrankheit für den Frieden in naher Zukunft und für Frankreich sehr bald, wenn diese Entwicklung nicht so gelenkt wird, daß die Deutschen Hoffnung schöpfen und mit den freien Völkern zusammenarbeiten. Diese Lage kann nicht durch die Einigung Deutschlands geregelt werden, denn dafür braucht man eine Übereinkunft zwischen den USA und der Sowjetunion, die im Augenblick undenkbar ist. Sie kann auch nicht durch die Integration Westdeutschlands in den Westen geregelt werden,

  • denn die Westdeutschen würden damit gegenüber dem Osten zugeben, daß sie die Spaltung akzeptiert haben, während die Einheit notwendigerweise ihr permanentes Ziel sein muß;
  • denn die Integration stellt die Frage der Aufrüstung Deutschlands und wird, als Provokation gegenüber den Russen, den Krieg nach sich ziehen;
  • aus unlösbaren politischen Fragen.

Dennoch werden die Amerikaner darauf bestehen, daß sich diese Integration innerhalb des Westens vollzieht, 

  • weil sie wollen, daß irgend etwas geschieht, und weil sie keine andere naheliegende Idee haben; 
  • weil sie an der Zuverlässigkeit und am Dynamismus Frankreichs zweifeln.

Manche glauben, daß man beginnen muß, einen Ersatz für Frankreich zu finden. Man sollte gar nicht erst versuchen, das deutsche Problem zu regeln, denn aus den gegenwärtigen Gegebenheiten kann es nicht geregelt werden. Man muß diese Gegebenheiten ändern, indem man sie umgestaltet. Man muß eine dynamische Aktion unternehmen, die die deutsche Situation umgestaltet und das Denken der Deutschen orientiert, und nicht nach einer statischen Regelung auf Grund der gegenwärtigen Gegebenheiten suchen. 

III. Die Wiederaufrichtung Frankreichs wird nicht mehr weitergehen, wenn die Frage der industriellen Produktion Deutschlands und seiner Konkurrenzkapazität nicht schnell eine Regelung findet. Die Grundlage für die Überlegenheit, die die französischen Industriellen traditionsgemäß Deutschland zubilligen, liegt darin, daß es Stahl zu einem Preis produziert, mit dem Frankreich nicht konkurrieren kann. Daraus schließen sie, daß die gesamte französische Produktion darunter leiden muß. Schon verlangt Deutschland, seine Produktion von 11 auf 14 Millionen Tonnen zu erhöhen. Wir werden diese Forderung ablehnen, aber die Amerikaner werden darauf bestehen. Dann werden wir Vorbehalte machen, und schließlich werden wir nachgeben. Zur gleichen Zeit stagniert die französische Produktion; sie geht sogar zurück. [...] 

Mit der vorgeschlagenen Lösung verschwindet die Frage der Herrschaft der deutschen Industrie, deren Existenz in Europa eine Furcht verursachen würde, die Grund ständiger Unruhe wäre, schließlich die Vereinigung Europas verhindert und Deutschland erneut in den Abgrund stürzt. Diese Lösung schafft im Gegensatz dazu für die Industrie sowohl in Deutschland als auch in Frankreich Bedingungen gemeinsamer Expansion in der Konkurrenz, wobei jede Form von Beherrschung fortfällt. [...] 

V. Im gegenwärtigen Zeitpunkt kann Europa nur aus Frankreich geboren werden. Nur Frankreich kann sprechen und handeln. Wenn aber Frankreich jetzt nicht spricht und handelt, was wird dann geschehen? Um die Vereinigten Staaten wird eine Ansammlung zustande kommen, freilich mit dem Ziel, den Kalten Krieg mit größerer Kraft zu führen. Der einleuchtende Grund dafür ist darin zu suchen, daß die Länder Europas Angst haben und Hilfe suchen. England wird sich mehr und mehr den Vereinigten Staaten annähern; Deutschland wird sich rasch entwickeln, wir können seine Aufrüstung nicht verhindern. Frankreich wird in seinen Malthusianismus von eh und je zurückfallen, und diese Entwicklung wird unweigerlich in seiner Ausschaltung enden. 

VI. Seit der Befreiung haben die Franzosen, die sich durch die Prüfungen nicht haben unterkriegen lassen, Beweise von Vitalität und Glauben an die Zukunft vorgelegt: Entwicklung der Produktion, Modernisierung und Umgestaltung der Landwirtschaft, Instandsetzung der Französischen Union usw. Nun haben aber die Franzosen im Laufe dieser Jahre Deutschland und seine Konkurrenz vergessen. Sie glaubten an den Frieden. Plötzlich finden sie Deutschland und den Krieg wieder. 

Die Erhöhung der deutschen Produktion, die Organisierung des Kalten Krieges werden bei ihnen wie in der Vergangenheit Gefühle der Furcht hervorrufen und malthusianistischen Reflexen neue Nahrung geben. Sie werden in ihre furchtsame Psychologie zurückfallen, und zwar genau in dem Augenblick, in dem die Kühnheit ihnen erlauben würde, diese beiden Gefahren zu beseitigen und jene Fortschritte ins französische Bewußtsein zu rücken, zu denen sie im Grunde bereit sind. 

In dieser Konjunktur ist Frankreich vom Schicksal auserwählt. Wenn es die Initiative ergreift, welche die Furcht beseitigt, die Hoffnung in die Zukunft neu belebt, die Schaffung einer Kraft des Friedens ermöglicht, dann wird es Europa befreit haben. Und in einem derart befreiten Europa wird der Geist der auf französischem Boden geborenen Menschen, die in Freiheit und unter sich ständig bessernden Bedingungen leben, weiterhin einen wichtigen Beitrag leisten. 

Gilbert Ziebura, Die deutsch-französischen Beziehungen seit 1945, Stuttgart 21997, S. 498-504.

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