- Die Sicht des jeweils Anderen: das Eigene und das Fremde
- Der deutsch-französische Krieg 1870/71
- Der Erste Weltkrieg
- Der Erste Weltkrieg im kollektiven Gedächtnis der Deutschen und der Franzosen
- Der Friedensvertrag von Versailles. Eine Bilanz
- Frankreich und Deutschland im Zweitem Weltkrieg
- Französische Zwangsarbeiter in Deutschland 1940-45
- Deutschland und Frankreich 1944/45
- Die Besatzungszeit
- Die Montanunion
- Vertiefung der deutsch-französischen Beziehungen durch Charles de Gaulle und Konrad Adenauer
- Personen
- Quellen
- Deutsch-französische Beziehungen 1945-2000
- Vierzig Jahre Beziehungen zwischen Frankreich und der DDR
- Vive la République! Marianne als deutsch-demokratischer Mythos im Satiremagazin Eulenspiegel
'Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit'
Sie sind hier: Deuframat > ... > Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit
Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit
Im Anschluß an die Gemeinsame Erklärung des Bundeskanzlers der Bundesrepublik        Deutschland und des Präsidenten der Französischen Republik vom 22. Januar        1963 über die Organisation und die Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen        den beiden Staaten wurden die folgenden Bestimmungen vereinbart:
       
       I. Organisation
       
       1. Die Staats- und Regierungschefs geben nach Bedarf die erforderlichen        Weisungen und verfolgen laufend die Ausführung des im folgenden festgelegten        Programms. Sie treten zu diesem Zweck zusammen, so oft es erforderlich ist        und grundsätzlich mindestens zweimal jährlich.
       
       2. Die Außenminister tragen für die Ausführung des Programms in seiner Gesamtheit        Sorge. Sie treten mindestens alle drei Monate zusammen. Unbeschadet der        normalen Kontakte über die Botschaften treten diejenigen leitenden Beamten        der beiden Außenministerien, denen die politischen, wirtschaftlichen und        kulturellen Angelegenheiten obliegen, allmonatlich abwechselnd in Bonn und        Paris zusammen, um den Stand der vorliegenden Fragen festzustellen und die        Zusammenkunft der Minister vorzubereiten. Ferner nehmen die diplomatischen        Vertretungen und
       die Konsulate der beiden Staaten sowie ihre ständigen Vertretungen bei den        internationalen Organisationen die notwendige Verbindung in den Fragen gemeinsamen        Interesses auf.
       
       3. Zwischen den zuständigen Behörden beider Staaten finden regelmäßige Zusammenkünfte        auf den Gebieten der Verteidigung, der Erziehung und der Jugendfragen statt.        Sie beeinträchtigen in keiner Weise die Tätigkeit der bereits bestehenden        Organe - Deutsch-Französische Kulturkommission, Ständige Gruppe der Generalstäbe        -, deren Tätigkeit vielmehr erweitert wird. Die Außenminister sind bei diesen        Zusammenkünften vertreten, um die Gesamtkoordinierung der Zusammenarbeit        zu gewährleisten.
       
       a) Der Verteidigungs- und der Armeeminister treten wenigstens einmal alle        drei Monate zusammen. Ferner trifft sich der französische Erziehungsminister        in den gleichen Zeitabständen mit derjenigen Persönlichkeit, die auf deutscher        Seite benannt wird, um die Ausführung des Programms der Zusammenarbeit auf        kulturellem Gebiet zu verfolgen.
       
       b) Die Generalstabschefs beider Staaten treten wenigstens einmal alle zwei        Monate zusammen; im Verhinderungsfalle werden sie durch ihre verantwortlichen        Vertreter ersetzt.
       
       c) Der Bundesminister für Familien- und Jugendfragen oder sein Vertreter        trifft sich wenigstens einmal alle zwei Monate mit dem französischen Hohen        Kommissar für Jugend und Sport.
       
       4. In jedem der beiden Staaten wird eine interministerielle Kommission beauftragt,        die Fragen der Zusammenarbeit zu verfolgen. In dieser Kommission, der Vertreter        aller beteiligten Ministerien angehören, führt ein hoher Beamter des Außenministeriums        den Vorsitz. Ihre Aufgabe besteht darin, das Vorgehen der beteiligten Ministerien        zu koordinieren und in regelmäßigen Abständen ihrer Regierung einen Bericht        über den Stand der deutsch- französischen Zusammenarbeit zu erstatten. Die        Kommission hat ferner die Aufgabe, zweckmäßige Anregungen für die Ausführung        des Programms der Zusammenarbeit und dessen etwaige Ausdehnung auf neue        Gebiete zu geben.
       
       II. Programm
       
       A. Auswärtige Angelegenheiten
       
       1. Die beiden Regierungen konsultieren sich vor jeder Entscheidung in allen        wichtigen Fragen der Außenpolitik und in erster Linie in den Fragen von        gemeinsamem Interesse, um so weit wie möglich zu einer gleichgerichteten        Haltung zu gelangen. Diese Konsultation betrifft unter anderem folgende        Gegenstände:
       - Fragen der Europäischen Gemeinschaften und der europäischen politischen        Zusammenarbeit;
       - Ost-West-Beziehungen sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen        Bereich;
       - Angelegenheiten, die in der Nordatlantikvertragsorganisation und in den        verschiedenen internationalen Organisationen behandelt werden und an denen        die beiden Regierungen interessiert sind, insbesondere im Europarat, in        der Westeuropäischen Union, in der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit        und Entwicklung, in den Vereinten Nationen und ihren Sonderorganisationen.
       
       2. Die auf dem Gebiet des Informationswesens bereits bestehende Zusammenarbeit        wird zwischen den beteiligten Dienststellen in Bonn und Paris und zwischen        den Vertretungen in Drittstaaten fortgeführt und ausgebaut.
       
       3. Hinsichtlich der Entwicklungshilfe stellen die beiden Regierungen ihre        Programme einander systematisch gegenüber, um dauernd eine enge Koordinierung        durchzuführen. Sie prüfen die Möglichkeit, Vorhaben gemeinsam in Angriff        zu nehmen. Da sowohl auf deutscher als auch auf französischer Seite mehrere        Ministerien für diese Angelegenheit zuständig sind, wird es Sache der beiden        Außenministerien sein, die praktischen Grundlagen dieser Zusammenarbeit        gemeinsam festzulegen.
       
       4. Die beiden Regierungen prüfen gemeinsam die Mittel und Wege dazu, ihre        Zusammenarbeit im Rahmen des Gemeinsamen Marktes in anderen wichtigen Bereichen        der Wirtschaftspolitik, zum Beispiel der Land- und Forstwirtschaftspolitik,        der Energiepolitik, der Verkehrs- und Transportfragen, der industriellen        Entwicklung ebenso wie der Ausfuhrkreditpolitik, zu verstärken.
       
       B. Verteidigung
       
       I. Auf diesem Gebiet werden nachstehende Ziele verfolgt:
       
       1. Auf dem Gebiet der Strategie und der Taktik bemühen sich die zuständigen        Stellen beider Länder, ihre Auffassungen einander anzunähern, um zu gemeinsamen        Konzeptionen zu gelangen. Es werden deutsch-französische Institute für operative        Forschung errichtet.
       
       2. Der Personalaustausch zwischen den Streitkräften wird verstärkt; er betrifft        insbesondere die Lehrkräfte und Schüler der Generalstabsschulen; der Austausch        kann sich auf die zeitweilige Abordnung ganzer Einheiten erstrecken. Zur        Erleichterung dieses Austausches werden beide Seiten um den praktischen        Sprachunterricht für das in Betracht kommende Personal bemüht sein.
       
       3. Auf dem Gebiet der Rüstung bemühen sich die beiden Regierungen, eine        Gemeinschaftsarbeit vom Stadium der Ausarbeitung geeigneter Rüstungsvorhaben        und der Vorbereitung der Finanzierungspläne an zu organisieren. Zu diesem        Zweck untersuchen gemischte Kommissionen die in beiden Ländern hierfür betriebenen        Forschungsvorhaben und nehmen eine vergleichende Prüfung vor. Sie unterbreiten        den Ministern Vorschläge, die diese bei ihren dreimonatlichen Zusammenkünften        prüfen und zu deren Ausführung sie die notwendigen Richtlinien geben.
       
       II. Die Regierungen prüfen die Voraussetzungen, unter denen eine deutsch-französische        Zusammenarbeit auf dem Gebiet des zivilen Bevölkerungsschutzes hergestellt        werden kann.
       
       C. Erziehungs- und Jugendfragen
       
       Auf dem Gebiet des Erziehungswesens und der Jugendfragen werden die Vorschläge,        die in den französischen und deutschen Memoranden vom 19. September und        8. November 1962 enthalten sind, nach dem oben erwähnten Verfahren einer        Prüfung unterzogen.
       
       1. Auf dem Gebiet des Erziehungswesens richten sich die Bemühungen hauptsächlich        auf folgende Punkte:
       
       a) Sprachunterricht
       Die beiden Regierungen erkennen die wesentliche Bedeutung an, die der Kenntnis        der Sprache des anderen in jedem der beiden Länder für die deutsch-französische        Zusammenarbeit zukommt. Zu diesem Zweck werden sie sich bemühen, konkrete        Maßnahmen zu ergreifen, um die Zahl der deutschen Schüler, die Französisch        lernen, und die der französischen Schüler, die Deutsch lernen, zu erhöhen.
       Die Bundesregierung wird in Verbindung mit den Länderregierungen, die hierfür        zuständig sind, prüfen, wie es möglich ist, eine Regelung einzuführen, die        es gestattet, dieses Ziel zu erreichen.
       Es erscheint angebracht, an allen Hochschulen in Deutschland einen für alle        Studierenden zugänglichen praktischen Unterricht in der französischen Sprache        und in Frankreich einen solchen in der deutschen Sprache einzurichten.
       
       b) Frage der Gleichwertigkeit der Diplome
       Die zuständigen Behörden beider Staaten sollen gebeten werden, beschleunigt        Bestimmungen über die Gleichwertigkeit der Schulzeiten, der Prüfungen, der        Hochschultitel und -diplome zu erlassen.
       
       c) Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung
       Die Forschungsstellen und die wissenschaftlichen Institute bauen ihre Verbindungen        untereinander aus, wobei sie mit einer gründlicheren gegenseitigen Unterrichtung        beginnen; vereinbarte Forschungsprogramme werden in den Disziplinen aufgestellt,        in denen sich dies als möglich erweist.
       
       2. Der deutschen und französischen Jugend sollen alle Möglichkeiten geboten        werden, um die Bande, die zwischen ihnen bestehen, enger zu gestalten und        ihr Verständnis füreinander zu vertiefen. Insbesondere wird der Gruppenaustausch        weiter ausgebaut. Es wird ein Austausch- und Förderungswerk der beiden Länder        errichtet, an dessen Spitze ein unabhängiges
       Kuratorium steht. Diesem Werk wird ein deutsch-französischer Gemeinschaftsfonds        zur Verfügung gestellt, der der Begegnung und dem Austausch von Schülern,        Studenten, jungen Handwerkern und jungen Arbeitern zwischen beiden Ländern        dient.
       
       III. Schlußbestimmungen
       
       1. In beiden Ländern werden die erforderlichen Anordnungen zur unverzüglichen        Verwirklichung des Vorstehenden getroffen. Die Außenminister stellen bei        jeder ihrer Zusammenkünfte fest, welche Fortschritte erzielt worden sind.
       
       2. Die beiden Regierungen werden die Regierungen der übrigen Mitgliedstaaten        der Europäischen Gemeinschaften über die Entwicklung der deutsch-französischen        Zusammenarbeit laufend unterrichtet halten.
       
       3. Dieser Vertrag gilt mit Ausnahme der die Verteidigung betreffenden Bestimmungen        auch für das Land Berlin, sofern nicht die Regierung der Bundesrepublik        Deutschland gegenüber der Regierung der Französischen Republik innerhalb        von drei Monaten nach Inkrafttreten des Vertrages eine gegenteilige Erklärung        abgibt.
       
       4. Die beiden Regierungen können die Anpassungen vornehmen, die sich zur        Ausführung dieses Vertrages als wünschenswert erweisen.
       
       5. Dieser Vertrag tritt in Kraft, sobald jeder der beiden Vertragschließenden        dem anderen mitgeteilt hat, daß die dazu erforderlichen innerstaatlichen        Voraussetzungen erfüllt sind.
       
       Geschehen zu Paris am 22. Januar 1963 in zwei Urschriften, jede in deutscher        und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich        ist.
Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland
         Adenauer
         
         Der Bundesminister des Auswärtigen der Bundesrepublik Deutschland
         Schröder
         
         Der Präsident der Französischen Republik
         C. de Gaulle
         
         Der französische Premierminister
         Pompidou
         
         Der französische Außenminister
         M. Couve de Murville
         
          Quellen: BGBl. 1963 II S. 705-710 Politisches Archiv des Auswärtigen          Amts, Vertragsarchiv
         Haus der Geschichte, Bonn