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'Die Folgen des deutschen Ausstiegs aus der Kernenergie'
 
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Die Folgen des deutschen Ausstiegs aus der Kernenergie

Alle Szenarien zum Ausstieg aus der Kernenergie gelangen zu der Einsicht, dass nicht nur erneuerbare Energien vermehrt eingesetzt werden dürften, sondern auch fossile Brennstoffe, insbesondere Erdgas, Steinkohle und Braunkohle. Der für das Jahr 2010 prognostizierte Primärenergieverbrauch [1] sieht vor, dass Kohle und Braunkohle noch 29% der Stromproduktion abdecken (gegenüber heute 50%), während Erdgas 28% ausmachen würde (gegenüber 8% heute). Insgesamt würden nach dieser Bilanz, die zudem einen Rückgang des Verbrauchs um 21% vorsieht, die fossilen Brennstoffe den gleichen Anteil wie heute (57%) stellen, nur der Erdgasverbrauch würde stark ansteigen, was die Abhängigkeit von Energieimporten deutlich erhöhen würde. Es wurde gezeigt, dass diese Perspektiven zumindest wenig realistisch sind. Wesentlich glaubwürdiger sind dagegen die Erwartungen der deutschen Kohlekonzerne im Hinblick auf den Ausstieg aus der Kernenergie. Sie können auf der Webseite der DEBRIV [2] und des Steinkohleverbandes [3] eingesehen werden und weisen darauf hin, dass eine weitere Förderung von Steinkohle und Braunkohle notwendig ist, den einzigen deutschen Energieressourcen, die in großer Menge vorhanden sind und die Kernkraft ersetzen können. Die nachfolgende Graphik, erstellt auf Grundlage von Daten der DEBRIV, zeigt, aus welchen Quellen sich die Elektrizitätsproduktion von heute bis 2020 wahrscheinlich speisen wird.

Abbildung 37:

Entwicklung der verschiedenen Energieträger der Elektrizitätsproduktion in Deutschland (in Milliarden kWh: TWh).
(Erklärung der Legende: Serie 1: Braunkohle, Serie 2: Kernenergie; Serie 3: Steinkohle; Serie 4: Erdgas; Serie 5: Erdöl; Serie 6: Wasserkraft und Windenergie).


Quelle: BMWI, DEBRIV, *Prognosen der DEBRIV, Zusammenstellung Michel Deshaies).

Es zeigt sich, dass die Ausstiegsentscheidung, die durch umweltpolitische Argumente gerechtfertigt worden ist, die Stromproduktion auf der Basis von Steinkohle und Braunkohle stabilisieren wird. Nach den von den deutschen Kohlekonzernen erstellten Prognosen müsste das Abstellen der meisten deutschen Kernkraftwerke zwischen 2010 und 2020 sogar zu einer deutlichen Anhebung der Elektrizitätsproduktion durch Steinkohle führen. Sie könnte dann ungefähr 31% der Elektrizität in Deutschland liefern, während die Braunkohle ebenfalls auf nahezu 30% ansteigen dürfte. Dies bedeutet, dass die Stromproduktion auf Grundlage von Braunkohle und Steinkohle von derzeit 300 Milliarden kWh auf 370 im Jahr 2020 wächst, immer noch zufolge von Angaben der DEBRIV. Zudem wird in der Ausstiegsplanung vorausgesetzt, dass in verstärktem Maße vor allem aus Russland importiertes Erdgas genutzt wird und dass es in der Zwischenzeit gelungen sein wird, die Stromproduktion durch Windkraft zu verdreifachen, die nach Berechnungen der DEBRIV um das Jahr 2020 circa 52 Milliarden kWh pro Jahr, also 9% der deutschen Elektrizitätsproduktion leisten könnte.

Die Aufrechterhaltung der Nutzung von Steinkohle und Braunkohle und sogar deren Ausbau sind jedoch kaum mit der verkündeten Politik des Ausbaus "umweltfreundlicher" Energien in Einklang zu bringen. Der massive Einsatz dieser fossilen Brennstoffe trägt nämlich stark dazu bei, dass Deutschland deutlich mehr Treibhausgase produziert als Frankreich, welches zur Stromproduktion hauptsächlich die Kernenergie nutzt. Will Deutschland die Ziele des Kyoto-Protokolls über die Reduktion der Treibhausgase erreichen, drohen durch den Ausstieg aus der Kernenergie viele Probleme.

Abbildung 38:

Hochspannungsleitungen in der Kölner Bucht. 

 

 

 

Internet-Quelle [4]

Die Reduktion der CO2 -Emissionen um 19%, zwischen 1990 und 2000 ergab sich in Deutschland vor allem aus dem industriellen Zusammenbruch der ehemaligen DDR und aus der damit verbundenen drastischen Verringerung der Braunkohleproduktion. Dagegen stellt sich die Frage, wie Deutschland einen weiteren Abbau um 21% bis zu den Jahren 2008-2012 erreichen will, wie es der Umweltministerrat der Europäischen Union am 4. März 2002 beschlossen hat. Es wird zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen haben, seine Stromproduktion durch Kernenergie in einem Umfang herunterzufahren, der durch erneuerbare Energien nicht ersetzt werden kann. Dies könnte in gewisser Weise die Quadratur des Kreises bedeuten, denn die Verfechter der Kernenergie haben bereits darauf hingewiesen, dass der Betrieb der Kernkraftwerke erlaubt, den CO2-Ausstoß jährlich um 179 Millionen Tonnen zu senken.

Abbildung 39:

Riesiger Schaufelradbagger im Fördergebiet Garzweiler.

 

 

 

Internet-Quelle [5]

Schließlich muss betont werden, dass außer der Emission von Treibhausgasen durch die Verbrennung fossiler Energieträger die Förderung der Braunkohle im Tagebau durch riesige Bagger einschneidende Veränderungen der Umwelt und Landschaft nach sich zieht. Da die Braunkohle in dicht bevölkerten Gebieten abgebaut wird, wie beispielsweise in der Kölner Bucht im Rheinland, müssen Dörfer und sogar kleine Städte abgerissen werden und ihre Bewohner den Baggern weichen und umsiedeln.

Abbildung 40:

Protestschild gegen die Zerstörung von Dörfern und Umsiedlung der Bewohner.

 

 

Internet-Quelle [6]

In der ehemaligen DDR mussten aus diesem Grund mehr als 80.000 Menschen ihre Dörfer verlassen, während in der Kölner Region über 30.000 Einwohner umgesiedelt worden sind. Die Erweiterung der drei großen Fördergebiete, die es noch in der Kölner Bucht gibt, dürfte die Umsiedlung von weiteren 15.000 Personen erforderlich machen. Das Projekt, die Zeche Garzweiler zu erweitern, trifft auf starken örtlichen Widerstand durch Umweltschutzorganisationen wie dem "Bund, Freunde der Erde" und ganz einfach der betroffenen Bewohner. Der Bund hat einer sehr umfassende Internetseite [7] erstellt, in der zahlreiche Informationen zum Abbau der Braunkohle erscheinen, der Ausstoß von Treibhausgasen durch Braunkohleverbrennung scharf kritisiert wird und vor allem die Landschaftszerstörung, die mit deren Förderung einher geht. Nachstehend folgen einige Bilder, die auf der Website des "Bund, Freunde der Erde" zum Thema: "Der Braunkohletagebau zerstört unsere Heimat" eingestellt sind.

Abbildung 41:

Demonstranten vor einem Schaufelradbagger: "Zukunft schützen-Bagger stoppen".

 

 

Internet-Quelle [8]

So hat der Kampf einiger Dorfgemeinschaften gegen die Bergbaugesellschaften, um ihre Heimatorte vor der Zerstörung zu bewahren, großen Bekanntheitsgrad erlangt. Dies gilt insbesondere für die Einwohner von Heuersdorf, südlich von Leipzig, deren Dorf der Erweitung des Tagebaus von Schleenhain weichen sollte, oder für die Bewohner von Horno in der Niederlausitz, das vom Abbaugebiet Jänschwalde bedroht wird. Nach mehrjähriger Auseinandersetzung ist im Frühjahr 2003 schließlich ein Kompromiss zwischen der Bergbaugesellschaft MIBRAG und den Bewohnern von Heuersdorf gefunden worden. Das Dorf wird verschont, die Gesellschaft verzichtet auf die Braunkohle, die sich darunter befindet. Dies bedeutet einen Verlust, den der Betrieb ökonomisch verkraften kann (zum Kampf der Bewohner von Heuersdorf, siehe: www.heuersdorf.de [9] ). Horno wird dagegen wahrscheinlich im Lauf des Jahres 2005 zerstört.

Abbildung 42:

Plakat gegen die Zerstörung von Heuersdorf durch die Bergbaugesellschaft MIBRAG.

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [10]

Wahr ist allerdings auch, dass die Bergbaukonzerne nach Abschluss der Förderung neue Landschaften aus Wäldern, Ackerland und Seen anlegen, die nicht unharmonisch wirken, und die sie in ihren Broschüren als "abwechslungsreicher" und sogar interessanter und attraktiver als die ursprünglichen Landschaften darstellen. Die Bergbaugesellschaften heben außerdem ihren Beitrag zum Naturschutz hervor: Sie entwickeln Rekultivierungsprogramme für Landschaften, wo einige bedrohte Tierarten wieder eine ökologische Nische finden, die durch die landwirtschaftliche Nutzung vor der Kohlförderung verloren gegangen war. Die aktuellen Projekte zur Rekultivierung der Landschaft in der Kölner Bucht werden auf folgender Website dargestellt: www.forschungsstellerekultivierung.de [11] .

Abbildung 43:

Rekultivierte Flächen in der Nähe der Kleinstadt Kaster, unten auf der Photographie. Es handelt sich um ein Vorzeigeprojekt der Rekultivierung, das von der Bergbaugesellschaft Rheinbraun im Kölner Becken durchgeführt wurde. Bis zu Beginn der 1980er Jahre reichte das Abbaugebiet Frimmersdorf bis an die Tore der Stadt, dort, wo sich der kleine See im Zentrum des Bildes befindet. Seitdem ist die Landschaft vollständig rekultiviert worden: Es gibt landwirtschaftlich genutzte Plateaus mit bewaldeten Hängen, ein kleiner See ist angelegt und der Bach zurückverlegt worden.

Internet-Quelle [12]

Abbildung 44:

Rekultivierter "Naturraum" auf ehemaligen Abraumhalden des Tagebaus Garzweiler in der Kölner Bucht.

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [13]

Abbildung 45:

Im Rahmen ihres Beitrags zum Umweltschutz führt RWE/Rheinbraun Projekte durch wie beispielsweise das Projekt "Hilfe für den Hasen". In diesem Fall soll die Zahl der Hasen in einer sehr dicht bevölkerten Region erhöht werden, in der es kaum noch Lebensraum für diese Tierart gibt. Die Rekultivierung ehemaliger Tagebaugebiete eröffnet die Möglichkeit, Gebiete zu schaffen, die für die Ansiedlung dieser Art günstig sind, deren starke Zunahme wir selbst in der Region Bedburg beobachten konnten.

Internet-Quelle [14]

Abbildung 46:

Das Fördergebiet Inden und das Renaturierungsprojekt des Baches Inde oder: wie Natur "neu erschaffen" werden kann. Die orange gefärbten Flächen zeigen die aktuelle Ausdehnung des Bergbaugebietes, der rote Pfeil gibt an, in welche Richtung der Tagebau erweitert werden soll. Die gelben Bereiche stellen die rekultivierten Flächen und die grünen aufgeforstete Flächen dar. Wegen der Kohleförderung mussten die Dörfer Inden und Altdorf abgerissen und das Bachbett bereits im 19. Jh. verlegt, begradigt und reguliert werden. Das neue Bachbett verläuft um das Abbaugebiet und hat mit seinen Schleifen einen "natürlicheren" Lauf als der frühere begradigte Bach.

Internet-Quelle [15]

Während die ältesten rekultivierten Landschaften in der Kölner Region inzwischen sehr geschätzte Naherholungsgebiete geworden sind, werden die künftig geplanten Seen, welche die aktuellen Schürfgebiete ausfüllen sollen, eine Größenordnung erreichen, die mit den vorhandenen Seen in keiner Weise vergleichbar ist. Der Hambacher Tagebau in der Kölner Bucht geht bis in 400 m Tiefe, und der nach der Schließung der Mine 2045 geplante See wird 300 m tief und 4 200 ha groß sein. Eine derartige Grube mit Wasser zu füllen und ihre Ufer anzulegen, wird naturgemäß Probleme aufwerfen und die Projektmanager vor eine echte Herausforderung stellen (zur Diskussion des Problems Braunkohleabbau und Umwelt in Deutschland siehe Michel Deshaies [16] : Mines et énergie en Allemagne, enjeux environnementaux et paysages (Bergbau und Energie in Deutschland, Umweltprobleme und Landschaften).

Abbildung 47:

Der im Jahr 2000 eingerichtete Windpark auf den rekultivierten Flächen des Tagebaugebietes Klettwitz in der Niederlausitz verkörpert die Integration der Zukunftsenergie in Landschaften, die nach der traditionellen Energiegewinnung wieder angelegt worden sind.

Internet-Quelle [17]

Es zeigt sich, dass die jüngere Ausrichtung der Energiepolitik in Deutschland durch eine gewisse Ambivalenz gekennzeichnet ist, wobei wirtschaftliche Überlegungen und Umweltgesichtspunkte eng miteinander verwoben sind. Der Ausstieg aus der Kernenergie führt automatisch zu einer Stärkung der Steinkohle und Braunkohle, den traditionellen Pfeilern der deutschen Energieversorgung. Leider muss man feststellen, dass sie immer noch in großem Maße für "legitim" gehalten werden, obwohl sie erhebliche Umweltschäden hervorrufen.