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'Deutsche Handwerker in Paris im 19. Jahrhundert '
 
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Deutsche Handwerker in Paris im 19. Jahrhundert

Nach unsicheren Schätzungen lebten um 1825 rund 25.000 Deutsche in Paris, 1850 bereits 100.000. Vor den revolutionären Ereignissen von 1848 lebten 820.000 Fremde im gesamten Frankreich, laut Zensus von 1851 – also nach der politischen Krise – waren es nur noch 380.000. Unter ihnen befanden sich deutsche und italienische Wissenschaftler, Ärzte und Künstler; Engländer auf Bildungsreise oder als Pensionäre an der Côte d'Azur; Kaufleute aus Italien und Frankfurt/Main, solche jüdischen Glaubens aus Worms und Bayern; italienische Seidenfabrikanten mit ihren hochqualifizierten Arbeitskräften in Lyon; Finanziers, darunter die Familie Rothschild; belgische, schweizer und vor allem englische Industrielle, die oft Facharbeiter mit ihren Familien nachzogen; schwedische, belgische, englische und schottische Spezialisten für Metallurgie; und vor allem Facharbeiter – mécaniciens – aus den deutschen Staaten.

Letztere trugen entscheidend zur demokratischen, nach außen wirkenden politischen Kultur des kosmopolitischen Paris bei. Viele Tischler, bes. Spezialisten für Edelholzarbeiten, Drechsler und Schreiner kamen. Möbelfabrikanten aus Deutschland stellten deutschsprachige Gesellen ein: Es gab große Werkstätten im Faubourg St. Antoine, "wo man nicht in Paris, sondern in Berlin oder Leipzig zu sein glaubt. (Anm. 1) Facharbeiter, die einzeln kamen und ein langfristiges Auskommen sahen, heirateten oft französische Frauen und akkulturierten sich. Andere kamen mit ihren Familien und bezahlten Lehrerinnen und Lehrern sowie Predigern Gehälter teils durch eigene Beiträge, teils durch aus Deutschland geschickte Mittel kirchlicher Missionen. Ethnische Geschäfte und Restaurants entstanden. Für viele andere, ungelernte Arbeiter und Arbeiterinnen war die wirtschaftliche und soziale Lage jedoch prekär. Pastor Friedrich von Bodelschwingh, der 1858-64 die evangelischen Migranten in Paris betreute, schrieb über sie: "zum weitaus größten Teil ganz arme Leute, für welche das deutsche Vaterland keinen Raum mehr hatte und die doch nicht die Mittel besaßen, über das Meer nach Amerika hinüberzuziehen. (Anm. 2) Viele von ihnen kamen aus Hessen und der Pfalz, traditionellen Abwanderungsgebieten, ohne Berufsausbildung. Sie wurden Gassenkehrer, Erdarbeiter, Lumpensammler. Aus dem Elsass kamen Dienstmädchen in großer Zahl. Die Infrastruktur der sich modernisierenden Monarchie wurde mit deutschen Arbeitskräften gebaut: Straßen, Eisenbahndämme, Staudämme und die vorgelagerten Arbeiten in Steinbrüchen. Viele dieser Arbeiter brachten ihre Familien mit und aus den Arbeitsmigranten auf Zeit wurden klassische Einwanderer, deren Kinder Französisch sprachen und sich mit ihren Eltern manchmal kaum noch unterhalten konnten. Auch Frauen und Kinder mussten arbeiten – zu niedrigsten Löhnen. Entlang der Zuwanderungswege entstanden Gasthöfe und Herbergen mit deutschen Namen.

Die deutsche Enklave, teils selbstbezogen, teils in die französische Gesellschaft hineinwirkend, fand ein plötzliches Ende als Preußen 1870 Frankreich angriff. Nach der Schlacht von Sedan [1] wies die französische Regierung alle deutschen Männer aus: Sie hatten innerhalb von drei Tagen die Stadt zu verlassen. Der Versuch, einige Jahre später zurückzukehren, blieb wegen der krisenhaften Entwicklung der Wirtschaft in den 1880er Jahren erfolglos. Angesichts des Entstehens neuer Arbeitsplätze durch die Industrialisierung in Deutschland setzte eine massive Rückwanderung der noch verbliebenen ein.

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Anmerkungen

  1. Zitiert in Wilfried Pabst, "Subproletariat of Zeit: deutsche 'Gastarbeiter' im Paris des 19. Jahrhunderts," in Klaus J. Bade, Deutsche im Ausland. Fremde in Deutschland. Migration in Geschichte und Gegenwart (München, 1992), 263-68, Bericht Der Evangelischen Kirche Augsburger Konfession zu Paris, zitiert S. 267.
  2. Zitiert ibid. S. 263.