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'Die Phase des Terreurs'
 
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Die Phase des Terreurs

Die Ausweitung der Revolution zu einem auch außenpolitischen Kampf hat sofort auf ihren inneren Verlauf zurückgewirkt und jene entscheidende Radikalisierung herbeigeführt, die mit dem Sturm auf die Tuilerien am 10. August 1792, der Suspendierung des Königtums und den Septembermorden (2.-5. September 1792) die sogenannte zweite Revolution in dem Phasenablauf der großen Umwälzung auslöste, an deren Beginn die machtvolle Gestalt des großen Demagogen Danton [1] steht. Durch ihn wurde die Revolution über das bürgerliche Stadium von 1789 hinausgetrieben und zu jener Massenbewegung der Straße, die vom Sansculottentum [2] getragen und vom Sinnbild der phrygischen Mütze [3] gekennzeichnet worden ist. Er mobilisierte diese zügellosen Kräfte zu einem solchen Sturm auf das morsche Gebäude der alten Monarchie und Aristokratie, dass es darunter endgültig zusammenbrach.

Der Sturm auf die Tuilerien in einem Bild von Jean Duplessi-Bertaux "La prise du palais des Tuileries, cour du Carrousel, 10 août 1792" (1793)

Quelle: www.histoire-image.org/site/rech/chrono.php

Mit diesen Terrorakten vom August und September 1792 antwortete Danton, damals Justizminister, auch auf die Bedrohung des revolutionären Frankreich von außen, wobei sich zugleich im Pathos der patriotischen Reden des großen Volkstribunen zum ersten Male in der modernen Geschichte das Phänomen des Nationalismus dämonisch erhob. Das konkrete Ergebnis dieser Politik war nicht nur die offizielle Abschaffung des Königtums am 21. September 1792 und die Einführung der Republik in Frankreich - der ersten, von 1792 bis 1804 bestehenden - unter gleichzeitiger Aufnahme einer neuen, republikanischen Zeitrechnung, sondern auch der Zusammentritt eines "Nationalkonvents'' (Convention Nationale, September 1792 bis Oktober 1795), nachdem sich die Assemblée Législative [4] am 20. September 1792 aufgelöst hatte. Dass die Politik dieses Gremiums eine radikale sein würde, war nach seinen Ursprüngen und ersten Amtshandlungen zu erwarten. Und das Vorgehen des Konvents hat in der ersten und entscheidenden Phase seines Bestehens denn auch den schlimmsten Befürchtungen der Gegner der Revolution oder ihrer gemäßigten Parteigänger durchaus recht gegeben.

Die phrygische Mütze: Dieses antike Symbol der Sklavenbefreiung wurde im Frühjahr 1792 zum Sinnbild der Revolution.

Quelle: revolution.1789.free.fr/page-7.htm

Konsequent setzte der Konvent die Politik einer - seit den Septembermorden sich auch als physische Ausrottung erweisenden - Ausschaltung der Repräsentanten des alten Systems fort, indem er einen Prozess gegen Ludwig XVI. einleitete, der zur Verurteilung und am 21. Januar 1793 zur Hinrichtung des Königs führte, der dann am 10. Oktober auch die der Königin Marie Antoinette folgen sollte. Dieser Akt vergrößerte die Kluft zwischen dem revolutionären Frankreich und dem alten Europa so unheilbar, dass England und mit ihm zahlreiche andere Mächte den "Königsmord" mit der Kriegserklärung an Frankreich beantworteten und damit den Kampf gegen die Republik zu einem Weltkriege ausweiteten. Das wiederum spitzte die Politik des Konvents zu jener Rigorosität zu. die im Dienste der nationalen Verteidigung die inneren Feinde mit den äußeren identifizierte, so dass die Revolution jetzt in ihre blutigste Phase eintrat.

Die Hinrichtung Ludwigs XVI. am 21. Januar 1793 (anonymes Gemälde, Musee Carnavalet, Paris)

Quelle: www.insecula.com/oeuvre/photo_ME0000065072.html

Der Konvent, aus allgemeinen, wenn auch indirekten Wahlen hervorgegangen, war zusammengetreten, um die inzwischen hinfällig gewordene Verfassung von 1791 in einem republikanischen Sinne zu revidieren. Er hat diese Aufgabe theoretisch auch gelöst, indem er 1793 eine Verfassung beschloss, die republikanisch war und auf der Idee der Volkssouveränität beruhte. Dadurch, dass die gesamte aus diesem Prinzip ableitbare Gewalt in der einen Kammer des Konvents vereint war, wich diese neue Verfassung entscheidend von der des Jahres 1791 ab, da sie weder Gewaltenteilung noch Selbstverwaltung oder Zensus kannte, dafür aber ein direktes und allgemeines Wahlrecht, also der Idee der egalitären Demokratie - im Gegensatz zu der ersten Verfassung mit ihrem konstitutionell monarchischen Charakter - durchaus schon entsprach. Jedoch betonte diese Verfassung von 1793 ihre provisorische Natur, und sie ist auch niemals in Kraft getreten, weil sie erst für die Zeit nach der Revolution gelten sollte, der Konvent diese zunächst in Permanenz erklärte und seine ganzen Energien auf die erfolgreiche Durchführung der Revolution im Kampf gegen innere und äußere Gegner verwandte.

Die Regierungsbildung durch den Konvent auf der Grundlage der Verfassung von 1793

Quelle: revolution.1789.free.fr/page-8.htm

Zu diesem Zweck vollzog der Konvent, eine Regierungsbildung in Form von Ausschüssen, wobei es den Wohlfahrtsausschuss, den Sicherheitsausschuss für Verteidigungsfragen und das Revolutionstribunal gab. Der am 6. April 1793 geschaffene Wohlfahrtsausschuss - das Comité du salut public - war dabei als das allgemeine Exekutivorgan der Republik der wichtigste dieser Ausschüsse, dem die Regierung Frankreichs auf dem Höhepunkt der Revolution von 1793 bis 1794 oblag.

Der erste Vorsitzende des Wohlfahrtsausschusses ist Danton gewesen (vom 6. April bis 24. Juli 1793) und mit ihm eine Persönlichkeit, die trotz aller Gewaltsamkeit doch auch echter staatsmännischer Einsichten fähig war und die jetzt, als sich das Terrorsystem ankündigte, zu "Klugheit, Gerechtigkeit und Milde" riet, die außenpolitisch Frieden mit den Alliierten zu schließen wünschte, um der Revolution Zeit zur Konsolidierung zu geben, und die auch - vergebens - den Ausgleich mit den Girondisten anstrebte, um das Abgleiten der Bewegung in jenes radikale Fahrwasser zu verhindern, das Dantons Gegner Robespierre entschlossen ansteuerte. Doch gelang es Danton, der auf einmal seltsam apathisch und untätig wurde, nicht mehr, sich gegenüber Robespierre zu behaupten, der seinen Einfluss im Wohlfahrtsausschuss systematisch untergrub. So konnte Robespierre schließlich am 24. Juli 1793 den Vorsitz dieser wichtigsten revolutionären Institution selbst übernehmen und gewann damit die Möglichkeit, seine politische Ideologie in all ihrem lebensfeindlichen Radikalismus zu verwirklichen.

Die geistigen Grundlagen seiner Tugendlehre wurzeln in der Staatsideologie Rousseaus, die der 1758 zu Arras geborene Advokat Maximilien Robespierre [5] so interpretierte, dass in dem neuen Staat des Gesellschaftsvertrages die Freiheit des Individuums auf das Kollektiv der Nation überzugehen habe, wobei dem den Volkswillen verkörpernden Gesetzgeber die politische Aufgabe gestellt sei, die "Tugend" als das Endziel menschlicher Bestimmung für immer in dieser Welt zu realisieren. Da aber die Mehrzahl der Menschen - verdorben durch die vorrevolutionäre, tugendferne Zeit - für diesen Gedanken nicht reif und weitgehend auch gar nicht willens sei, für ihn reif zu werden, bleibe dem Gesetzgeber nichts anderes übrig, als die Gesellschaft mit Hilfe des "Despotismus der Freiheit" zu läutern, was wiederum den "Terror" als ein politisches Mittel voraussetze, dem - wenigstens vorübergehend - auch der Rechtsgedanke zu weichen bzw. sich anzugleichen habe. Denn, so sagt Robespierre einmal: "Ohne den Terror ist die Tugend machtlos, weil der Terror nichts anderes ist als eine prompte, strenge und unbeugsame Justiz; er ist also eine Emanation der Tugend."

Die Krise im Sommer 1793

Quelle: revolution.1789.free.fr/page-8.htm

Und Robespierre ging nun zielstrebig daran, seine Vorstellungen in die Praxis umzusetzen, indem er seine politischen Gegner ausschaltete und durch radikale Gesetze den revolutionären Tugendstaat zu konstituieren versuchte. Als daraufhin im Frühjahr und Sommer 1793 in royalistisch oder girondistisch eingestellten Departements und Städten wie der Vendée, in Marseille, Toulon, Bordeaux, Caen, Toulouse und Lyon Aufstände gegen die Konventsherrschaft ausbrachen, zu dem äußeren Krieg also auch noch der Bürgerkrieg hinzutrat, ließ der Konvent unter dem Einfluss Robespierres diese Erhebungen in den Provinzen in blutigster Weise unterdrücken. Am 5. September proklamierten "Wohlfahrtsausschuss und Konvent die "Terreur [6] " als offizielles Regierungsinstrument, so dass die Frankreich bis zum Sturze Robespierres in Blut tauchende "Schreckensherrschaft" sogar legalisiert war. Das Gesetz gegen die "Verdächtigen" unter Einführung der "Certificats de civisme" vom 17., das Maximumgesetz, regelnd die Höchstpreise der Lebensmittel, vom 27. September 1793 traten ergänzend hinzu. Außerdem sorgte Robespierre dafür, dass die schon am 2. Juni unter dem Druck der Straße aus dem Konvent ausgeschlossenen Girondisten am 10. Oktober - zusammen mit der Königin Marie Antoinette - guillotiniert wurden. Andererseits gefährdeten wiederum die linksradikalen Anhänger Huberts mit der Einführung des Vernunftkultus in Paris im November 1793 die Grundlagen jeglicher Moral in solchem Maße, dass Robespierre sie im März 1794 ebenfalls auf die Guillotine schickte, ein Schritt, dem schon im April des gleichen Jahres der Sturz und die Hinrichtung Dantons und seiner Freunde folgte. So wähnte sich der französische Diktator der Tugend im Frühsommer 1794 im Besitz einer konkurrenzlosen Allmacht, die es ihm zu gestatten schien, den Staat ganz im Sinne seiner wirklichkeitsfremden Doktrinen zu formen.

"La Fête de l'Etre suprême" am 10. Juni 1794 in einem Gemälde von P.-A. Machy.

Quelle: persweb.wabash.edu/facstaff/lamarlec/artciv/revolution2.html (20.10.2004)

Der Kult des "Höchsten Wesens", den Robespierre gleich nach der Liquidierung der Dantonisten einführte, diente diesem Zweck ebenso wie die Verschärfung des Terrorgesetzes am 10. Juni 1794, die die Schreckensherrschaft auf den Gipfel trieb; die Guillotine wütete jetzt so pausenlos, dass die Zahl ihrer Opfer in Paris auf etwa 14 000 bis 15 000 Menschen veranschlagt werden muss. Jedoch erwuchsen aus dieser letzten Steigerung des Terrorsystems gleichzeitig auch die Ursachen seines Unterganges. Denn seitdem das neue Gesetz sogar das Leben der Konventsmitglieder bedrohte, entstand im Schoße dieser Robespierre bisher so gefügigen Versammlung rasch jene Verschwörung gegen den Diktator, die am 9. Thermidor [7] des Jahres II, dem 27. Juli 1794, zum Sturze Robespierres und am folgenden Tage zu seiner und seiner vertrautesten Anhänger Hinrichtung geführt und damit dem auf Terror basierten "Reich der Tugend" ein Ende gesetzt hat.

Die Festnahme Robespierres am Morgen des 10. Thermidors nach einem Gemälde von Lucien-Étienne Melinge (1877) (Musée historique de la Révolution française, Vizille)

Quelle: www.histoire-image.org/site/rech/chrono.php