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'Das erste Kaiserreich'
 
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Das erste Kaiserreich

Begünstigt durch die großen Erfolge innen- und außenpolitischer Art zur Zeit der Jahrhundertwende, konnte der Erste Konsul seine cäsarische Herrschart, die er faktisch schon seit dem 18. Brumaire ausübte, durch die Erhebung zum Kaiser vollenden. Freunde Napoleons veranlassten das Tribunat, ihm die Krone anzubieten. So wurde er am 2. Dezember 1804 in der Kathedrale Notre-Dame zum "Kaiser der Franzosen" gekrönt, wobei die Mitwirkung des Papstes nicht fehlte. Jetzt wurde die fünfte Verfassung dieser Epoche geschaffen, die das Erste Empire konstituierte. An der Spitze des Reiches stand der erbliche Kaiser, dem für den Fall, dass legitime Nachkommen ausbleiben sollten, das Recht zustand, seinen Nachfolger durch Adoption zu bestimmen. Der Senat wurde beibehalten; seine Mitglieder ernannte der Souverän teils nach Wahllisten, teils nach eigener freier Entscheidung. Nach dem Wortlaut der Verfassung war das französische Kaiserreich eine konstitutionelle Monarchie, in der die Volksvertretung in Form von Tribunat und Gesetzgebendem Körper weiterbestand, allerdings ohne politische Bedeutung zu besitzen. - Während der Hundert Tage des Jahres 1815 hat diese Verfassung durch die "Acte Additionnel" vom 23. April 1815 einen liberalen Anstrich erhalten, ohne dass jedoch Napoleon ernstlich beabsichtigt hätte, diese Einschränkung seiner Machtbefugnis im Falle eines Sieges über die auswärtigen Mächte dauernd hinzunehmen.

Die Kaiserkrönung Napoleons im Jahre 1804 in der Kathedrale Notre-Dame. (Gemälde von J.-L. David, 1806, Musée du Louvre)

Quelle: persweb.wabash.edu/facstaff/lamarlec/f306/f306-art.html

Was nun den administrativen Bereich anlangt, so hatte der Erste Konsul am 17. Februar 1800 eine konsequente Zentralisation in Form des Präfektensystems eingeführt, dessen dreigliedrige Stufung in Präfekt (Departement), Unterpräfekt (Arrondissement) und Bürgermeister (Mairie) die Auflösung der Selbstverwaltung in Frankreich nach sich zog und zum Vorbild mancher Länder Europas wurde. Die zentralistischen Verwaltungstendenzen des altfranzösischen Königtums, entscheidend gefördert durch die Revolution, waren damit endgültig verwirklicht worden. Gleichzeitig mit der Verwaltungsreform beendete der Erste Konsul durch das Konkordat zwischen der französischen Republik und Papst Pius VII. 1801 auch den Kirchenkampf, wobei der Katholizismus in Frankreich in seine überlieferten Rechte wieder eingesetzt wurde, während Napoleon andererseits den Papst dazu bewog, durch Zustimmung zu einer fortan beamtenrechtlichen Stellung des französischen Klerus seinerseits die im Lande der Revolution vollzogene soziale Umwälzung anzuerkennen.

Auch im Rechtswesen hat Napoleon das Erbe der Revolution, die er gleich nach dem 18. Brumaire als beendet erklärt hatte, vollendet. Mit dem Code Napoléon [1] , der 1804 eingeführt wurde und bis heute im wesentlichen in Kraft geblieben ist, gab der Schöpfer dieses Gesetzbuches der französischen Nation eine einheitliche Rechtsgrundlage, in der brauchbare Elemente älteren Rechts mit den revolutionären Prinzipien der Gleichheit vor dem Gesetz, Freizügigkeit, religiösen Toleranz und der Emanzipation der Juden verknüpft und zu unverlierbarem Besitz konstituiert worden sind.

Napoleon als Gesetzgeber. Als Code Napoleon wird das französisches Gesetzbuch des bürgerlichen Rechtes bezeichnet, welches in der Zeit von 1804 bis 1807 entstanden ist.

Quelle: fhh1.hamburg.de/fhh/internetausstellungen/hambourg-france/francais/d/10.htm

Die hier en bloc betrachteten Herrschaftsformen, die Napoleon I. (1804-1814/15) in Frankreich ausbildete, waren also die weittragenden innenpolitischen Auswirkungen, die mit dem Erfolg von Marengo in Zusammenhang standen. Die außenpolitische Ernte dieses Sieges wurde 1801 im Frieden von Lunéville [2] eingebracht, der die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich zur Folge hatte. Überdies trat ein Bruch zwischen Russland, dessen Herrscher seit Lunéville die Verständigung mit Frankreich suchte, und England ein, das nicht aufgehört hatte, die Neutralen, vor allem auch den Zaren, durch die rücksichtslose Handhabung seiner Seepraxis vor den Kopf zu stoßen. Dieser Umstand kam Napoleon außerordentlich gelegen; schien er ihm doch die aktive Mithilfe Russlands gegen England und seine Besitzungen in Indien in wirtschaftlicher und militärischer Beziehung zu gewährleisten. Solche glänzenden Möglichkeiten des Winters 1801/02 wurden durch die Ermordung Pauls I. alsbald wieder verschüttet. Aber Frankreichs kontinentale Machtstellung erwies sich auch weiterhin als so stark, dass das kriegsmüde England die Weiterführung des Kampfes aufgab und - nach dem Sturze Pitts des Jüngeren - im März 1802 den Frieden von Amiens [3] abschloss.

Da weder Napoleon gewillt war, auf Frankreichs Vormachtstreben zu verzichten, noch England sich geneigt zeigte, die Erschütterung des europäischen Gleichgewichtes als endgültige Tatsache hinzunehmen, kam Amiens nur der Charakter eines Waffenstillstandes zu, aus dem jederzeit wieder ein neuer Krieg hervorgehen konnte. Napoleon benutzte die Friedenszeit, um seine kontinentale Stellung in der Schweiz, in Italien, in Deutschland und an der flandrischen Küste auszubauen, während er gleichzeitig die französischen Besitzungen in Amerika (z. B. Louisiana) tatkräftig förderte, ein Wiederaufnahmeversuch der Kolonialpolitik des 17. und 18. Jahrhunderts. Er blieb Episode, weil Napoleon hier 1803 vor dem Einspruch der Vereinigten Staaten, die ihren Ausdehnungsdrang nach Westen bedroht sahen, zurückweichen musste. Um ein Druckmittel gegen diese zunehmende Machtverstärkung - auch wirtschaftlicher Art - Frankreichs in der Hand zu haben, unterließ England es, die zu Amiens versprochene Räumung Maltas durchzuführen, so dass seine Levantestellung unerschüttert blieb.

Napoleon in Boulogne-sur-Mer zu Beginn der erneuten Auseinandersetzungen mit England im Jahre 1803, nachdem sich diese nicht an die Vereinbarungen des Friedens von Amiens gehalten hatten.

Quelle: perso.wanadoo.fr/marine-imperiale/images/galerie2.htm

Die Summe dieser Widersprüche führte schon 1803 zu einer Erneuerung des englisch-französischen Krieges. Ihn dürften beide Parteien in gleicher Weise gewollt haben. Napoleon beschloss, seinen Hauptgegner nunmehr tödlich zu treffen. Doch musste er sein großes Vorhaben als endgültig gescheitert ansehen, nachdem die geplante Invasion in England 1803 durch widrige Winde und die Aufmerksamkeit der englischen Flotte verhindert und zwei Jahre später, am 21. Oktober 1805, die französischen Seestreitkräfte bei Trafalgar von Nelson vernichtend geschlagen worden waren. Aber der Kaiser war keineswegs gewillt, den Kampf um die Hegemonie aufzugeben. Hatte ihm doch das Jahr von Trafalgar, das ihn seine See- und Weltstellung außerhalb Europas kostete, mit Ulm und Austerlitz (1805) den glänzendsten Sieg über die Dritte Koalition, die ihm England auf dem Kontinent wiederum in den Rücken zu setzen verstanden hatte, gebracht und mit ihm, angesichts der totalen Niederlage Österreichs, die unbestreitbare Vormachtstellung in Europa. Der Sieg über das in friderizianischer Tradition erstarrte Preußen bei Jena und Auerstedt (1806) und in den Schlachten [4] des Jahres 1807 vollendeten seine Herrschaft über Mitteleuropa und Deutschland.

Zentraleuropa vor und nach dem Reichsdeputationshauptschluss 1803, durch den zahlreiche Kleinststaaten zugunsten größerer Herrschaftsgebiete verschwanden. Die Kriege brachten außerdem den Bündnispartnern Napoleons Landgewinne. Das Königreich Westfalen entstand unter einem seiner Brüder (Jérome) neu, es endete jedoch bereits 1814.

Quelle: www.lsg.musin.de/LkGeschichte/Karten/karte1803.htm

Nach dem Lunéviller Frieden hatte der Reichsdeputationshauptschluss [5] von 1803 alle geistlichen Fürstentümer und zahlreiche weltliche Miniaturherrschaften säkularisiert bzw. mediatisiert und damit die größeren deutschen Fürsten entschädigt, die auf dem linken Rheinufer Gebietsverluste erlitten hatten, wodurch die deutsche Landkarte wesentlich vereinfacht worden war. Gleichzeitig vergrößerten außer Preußen die von Frankreich begünstigten Mittelstaaten, wie Bayern, Württemberg und Baden, ihr Gebiet so beträchtlich, dass sie in ihrer Gesamtheit gleichsam als eine dritte politische Macht in Deutschland neben Preußen und dem materiell wie moralisch so sehr geschwächten Österreich erschienen. Die Ereignisse des Jahres 1805, das die Mehrzahl der deutschen Mittelstaaten auf Napoleons Seite gegen Österreich hatte marschieren sehen, bewiesen, dass der Rest von Reichseinheit, der im 18. Jahrhundert das ehrwürdige Gebäude noch notdürftig zusammengehalten hatte, endgültig dahin war. Der Zusammenschluss der deutschen Triasmächte zum Rheinbund [6] unter dem Protektorat Napoleons im Juli 1806 bestätigte diese politische Situation quasi offiziell, angesichts deren Kaiser Franz II. dann die Konsequenzen zog und am 6. August 1806 die deutsche Kaiserkrone niederlegte, nachdem er schon 1804 den Titel eines österreichischen Kaisers (Franz I.) angenommen hatte. Die Politik Frankreichs seit dem 16. Jahrhundert, nämlich die Schwäche Deutschlands durch Begünstigung der Territorialinteressen zu fördern, fand in Napoleon ihre Erfüllung, der jetzt auch in Mitteleuropa uneingeschränkt gebieten konnte.