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'Vom Hochmittelalter zum Zeitalter der absoluten Monarchie'
 
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Vom Hochmittelalter zum Zeitalter der absoluten Monarchie

Mit der wachsenden Autorität des Königshauses haben sich die Verhältnisse seit dem Hochmittelalter ständig verändert. Die Integration in die Krondomäne ließ Grafschaften verschwinden, andere entstanden neu. Teilungen oder Zusammenfassungen waren gängige Praxis. Über diesem Mosaik konnte die Zentralmacht ein regionales Netz von Verwaltungseinheiten einrichten, das sich im Verlauf des 14. Jh. mit der Schaffung der sog. gouvernements nachhaltig etablierte. Ihre Zahl war von Beginn an nicht konstant, und keinesfalls dürfen die Gouvernements mit Provinzen gleichgesetzt werden. Unter Ludwig XI. [1] (1461-1481) gab es deren lediglich acht, nämlich Normandie, Picardie, Champagne et Brie, Bourgogne, Languedoc, Guienne, Provence, Dauphiné. Bis zum Beginn des 16. Jh. kamen Lyonnais, Bretagne und Ile-de-France hinzu, jedoch löste Franz I. [2] im Jahre 1542 die Gouvernements wieder völlig auf. Allerdings wurden sie von ihm selbst bereits drei Jahre später wieder eingerichtet. Sein Nachfolger Heinrich II. [3] (1547-1559) reduzierte die Zahl der Gouvernements dann drastisch auf lediglich drei, jedoch vermehrten sie sich bis zum Ende des 16. Jh. wieder auf 12 und während der Zeit Ludwigs XIII. [4] gar auf knapp 40. Diesen Verwaltungseinheiten standen zumindest zu Beginn meistens Vertreter des Hochadels als Gouverneure vor. Im Zuge der absolutistischen Neuordnung wurden die Gouverneure, da sie oft starke oppositionelle Komponenten darstellten, ab 1683 durch staatliche Beamte, die sog. intendants, ersetzt. Im 18. Jh. findet sich für die Intendanzen die synonyme Verwendung des Begriffs généralité (Generalität) (vgl. Mirot 1950, S. 356 ff.).

Abbildung 22/23:

Die Gouvernements im Jahre 1559 und am Ende des Ancien Régimes

Internet-Quelle

Die verstärkte Kontrolle durch den Staat wirkte sich aber auch bis in die einzelnen Gemeinden aus. Schon unter Ludwig XIII. überwachten von 1635 an königliche procureurs die Ratssitzungen in den Städten. Unter seinem Nachfolger Ludwig XIV. wurden die Landgemeinden 1659 sogar für unmündig erklärt und fortan einer strengen Aufsicht unterstellt. 1692 wurden auf königlichen Erlass Stadtratswahlen abgeschafft, Mandate konnten fortan nur noch käuflich erworben werden. Die Polizeigewalt wurde durch die Einsetzung der lieutenants généraux de police seit 1699 ebenfalls zentralstaatlich ausgeübt.

Nicht unproblematisch ist bei alledem der Begriff province, der historisch eigentlich nie für eine präzise Verwaltungseinheit Anwendung fand. Vielmehr bildeten sich die Provinzbezeichnungen in der hochmittelalterlichen Feudalzeit heraus, wobei die meisten von ihnen historischen Herrschaftsbereichen entsprachen, also Herzogtümern, eigenständigen Königreichen u.ä. Bei der Einrichtung der Gouvernements ab dem 14. Jh. stellten sie oft die räumliche Grundlage dar, ohne in ihren Grenzziehungen jeweils mit diesen identisch zu sein. Interessant ist die Interpretation Brüchers (1992, S. 37), der in der häufigen Verwendung des Begriffes province im Ancien Régime [5] ein bewusstes Instrument zu sehen glaubt, welches "die Erinnerung an die feudalzeitlichen Herrschaftsbereiche (duché, comté) auslöschen, die territorialen Einheiten begrifflich nivellieren, also auch uniformieren, und zugleich ihre der Zentralmacht untergeordnete Stellung deutlich machen" sollte. Gerade dieser letzte Aspekt findet sich in der Sprachgepflogenheit wieder. Mit einer gewissen Veränderung des Sinngehalts bezeichnet in Frankreich der Begriff la province pauschal das Gesamtterritorium außerhalb von Paris, ein Gegensatz, der sich bis heute bei vielen Franzosen auch im Sinne eines Wertgefälles festgesetzt hat.

Abbildung 24:

Die Entstehung bzw. Angliederung der Provinzen Frankreichs

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle

Eine solche Sichtweise verwischt natürlich die regionalen Unterschiede, die sich innerhalb der historischen Provinzen entwickelt haben. I. Mieck (1982, S. 61) spricht für das beginnende 16. Jh. von fast 50 provinces als größeren "natürlichen Einheiten", die ihrerseits rd. 300 kleinere Landschaften (pays, z. B. Beauce, Landes, Vivarais etc.) zusammenfassen. Er betont dabei besonders die ökonomischen, kulturellen, religiösen und sonstigen Gemeinsamkeiten und Traditionen dieser Einheiten, die "unabhängig von allen administrativen Gliederungen und über diese hinweg" existierten.

Abbildung 25:

Die Provinzen Frankreichs am Ende des Ancien Régime

C'est en 1790 au moment de la révolution française que la France est divisé en départements. Auparavant, elle était partagée en 33 grandes provinces ou gouvernements militaires. Ces provinces avaient conservé en grande partie leur esprit particulier et quelques unes jouissaient de privilèges ou de libertés qui portaient ombrages à la royauté. En 1789, l'Assemblée Constituante se heurtant au moment de ses réformes à la résistance de certaines de ces provinces décide de les supprimer et de le remplacer par des départements.

Internet-Quelle [6]

Mit Mieck (1982, S. 175-180) lassen sich die wichtigsten administrativen Gliederungen in der Frühen Neuzeit wie folgt charakterisieren:

  1. "Oberhalb der niedrigsten königlichen Gerichtsinstanz, den Landgerichten, erstreckten sich über das gesamte Königreich als tragende administrative Einheiten die baillages oder, wie sie im Süden genannt wurden, sénéchaussées. Zwar verloren die baillis/sénéchaux allmählich ihre fiskalischen, richterlichen und militärischen Funktionen als königliche Beamte, doch blieben die baillages im 16. Jahrhundert und darüber hinaus "les organes essentiels de l'administration royale". (...) Territorialgewinne und Teilungen ließen die Zahl der baillages von 42 im Jahre 1460 über 86 am Ende des 15. Jahrhunderts auf etwa 100 zur Zeit Heinrichs IV. ansteigen. Im Durchschnitt waren diese Bezirke etwas kleiner als die heutigen Departements.
  2. Ausgehend von den Grenzprovinzen ist das gesamte Königreich im Laufe des 15. Jahrhunderts mit größeren Verwaltungseinheiten überzogen worden, den gouvernements. Sie waren zunächst in erster Linie als Militärbezirke konzipiert, doch haben die gouverneurs viele der Befugnis, die ursprünglich den baillis zukamen, an sich gezogen. Gegen die Machtfülle dieser Provinzialfürsten haben sich einige königliche Ordonnanzen gerichtet (1545, 1579), doch sind sie wirkungslos geblieben. Die gouvernements entsprachen etwa den traditionellen Provinzen (...).
  3. Im Laufe des 16. Jahrhunderts hat das Netz der Parlamentsbezirke im wesentlichen seinen Abschluß erfahren. Später sind nur die obersten Gerichtshöfe in Pau (1620) sowie in den neu erworbenen Gebieten hinzugekommen. Wegen des enormen Zuständigkeitsbereiches des Parlaments von Paris, der von der Picardie bis zur oberen Auvergne reichte, haben die Generalstände wiederholt, aber ohne Erfolg, die Errichtung weiterer Parlamente vorgeschlagen (...). So blieb es bei den acht Parlamenten in Paris, Toulouse, Grenoble, Bordeaux, Dijon, Rouen, Aix und Rennes (...).
  4. Zu den obersten Gerichtshöfen (Cours souveraines) gehörten auch die Rechnungskammern (Chambres des Comptes). Die wichtigste, die vor allem die Kontrollfunktion zu erfüllen, aber auch die königlichen Domänen zu verwalten hatte, befand sich in Paris. Auch ihr Einzugsgebiet war riesig; nur die Provence, die Bretagne, die Bourgogne und die Dauphiné hatten eigene Rechnungskammern. 1523 und 1580 kamen zwei weitere hinzu: in Montpellier und Rouen (...).
  5. Die Neuorganisation der Finanzverwaltung brachte die Einteilung des Königreiches in Steuerbezirke (généralités), wobei eine wichtige Unterscheidung zu machen ist: Diejenigen Gebiete, in denen noch etats provinciaux bestanden und über die répartition der Steuer berieten, wurden pays d'etat genannt; die anderen, in denen diese Aufgabe königlichen Beamten, den élus, oblag, hießen pays d'élection. (...) Nicht an die gouvernements, sondern an diese généralités schlossen sich im 17. und 18. Jahrhundert die neuen Verwaltungseinheiten der absoluten Monarchie, die intendances, an.
  6. Die Komplexität der administrativ-fiskalischen Gliederung Frankreichs betraf zunächst die direkte Steuer: Im weitaus größten Teil des Königreiches galt die taille personnelle, eine Besteuerung von Personen, von der Geistliche und Adelige befreit waren. Dagegen wurde in der Guyenne, im Languedoc und in der Provence die taille réelle erhoben, eine Steuer auf Grundbesitz und Einkünfte aus Immobilien. Ausgenommen davon waren alle Kirchengüter und sämtliche adelige Lehen (terres nobles)(...).
  7. Noch verwirrender war die "unerhörte Systemlosigkeit" bei der Erhebung der Salzsteuer (gabelle). Es gab nicht weniger als sieben Steuerbezirke: die pays de petites gabelles, die pays de grandes gabelles, die pays de salines, die pays de quart-bouillon, das Gebiet um Rethel in der Champagne (Rethelois), die pays dédimés, die provinces franches (...).
  8. Ein ähnlich buntes Bild ließe sich von den übrigen Waren, Lebensmitteln und Getränken ruhenden indirekten Steuern, den aides, entwerfen (...).
  9. Auch hinsichtlich der Zölle (traites) war das Königreich weit von jeder Einheitlichkeit entfernt. Die zahlreichen, aus dem Mittelalter überkommenen Ausfuhr- und Binnenzölle, welche auf fast allen Waren ruhten, wurden im 16. Jahrhundert weiter ausgebaut, in der Regel verpachtet und durch Einfuhrzölle ergänzt (...). Von den vielen Binnenzöllen (...) waren die zahlreichen Wege-, Fluß- und Brückengelder (péages), die zu tausenden, über das ganze Land verteilt, erhoben wurden, auf den ersten Blick nicht immer zu unterscheiden (...). Allein im Stromgebiet der Loire gab es 1567 über 200 solcher Abgaben (...). Nach vielen Aufhebungen stellte eine königliche Kommission 1724 noch immer 3120 derartige Wegegelder fest. Neben der péages royaux gab es viele, die im Besitz von Adeligen, von Klöstern oder Städten waren."

Abbildung 26:

Die Généralités (Intendances) Frankreichs am Ende des Ancien Régimes

 

 

 

 

Internet-Quelle [7]

Die zentralstaatlichen Institutionen wurden somit in Frankreich in ein altes, historisch gewachsenes Netz von Verwaltungs- bzw. Territorialstrukturen eingefügt, wobei sich diese regionalen und lokalen Traditionen oft als Hindernisse darstellten. Spätestens im Zeitalter der absoluten Monarchie [8]  gelang es dann der Zentralgewalt jedoch immer mehr, sowohl die Feudalstrukturen als auch die Regionalismen zu überwinden und eine höchstmögliche Kontrolle der Vorgänge in der Provinz von Paris aus auszuüben. Bezeichnend ist die systematische Entfernung der Gouverneure, die traditionell dem hohen Adel angehörten, aus ihren gouvernements unter Ludwig XIV. [9] , um ihnen ihre potenziell gefährliche Machtbasis zu entziehen. "Seit 1661 durften sie sich nur noch mit formeller Einwilligung des Königs für gewöhnlich wenige Wochen in ihre Amtsgebiete begeben. Die noch während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf administrativem und jurisdiktionellem Sektor von den Gouverneuren wahrgenommenen Aufgaben wurden nun mehr und mehr von den Intendanten ausgeübt. Diese unmittelbaren, jederzeit abrufbaren Kommissare des Königs, die zu seiner Klientel gehörten, haben unter Ludwig XIV. als Instrumente der Konzentration der Verwaltung und der Stärkung der Autorität des Königs in den Provinzen eine kaum zu überschätzende Rolle gespielt. Colbert hat sich ihrer bei der Wahrnehmung seiner vielfältigen Aufgaben in hohem Maße seit 1661 bedient" (Malettke 1994, S. 84).