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Berlin


"Überall tritt das Bestreben der Preußen zutage, ein neues Leben zu leben, alles Alte, seine ganze ärmliche Vergangenheit durch Hypermodernes zu ersetzen, alles, was er besitzt darauf zu verwenden, zu glänzen, sich geltend zu machen."
 
Jules Huret 
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Den größten Teil des 19. Jahrhunderts war Paris nicht der klassische Bezugspunkt Berliner großstädtischer Phantasien. Lange Zeit orientierte man sich an London, das mit seinem protestantischen Ernst und seiner ungebrochen monarchistischen Strenge als Gegenstück zu der sinnesfrohen und flatterhaften französischen Kapitale galt. Doch seit den 1870er Jahren rückte ein anderes Element des traditionellen Parisbildes in den Vordergrund. So waren es vor allem die künstlerischen Ambitionen der deutschen Kaiser, die sie nach einer preußischen Version des französischen Glanzes in Architektur und Stadtgestaltung suchen ließen. Als prototypischer Ausdruck dieser heimlichen Bewunderung gallischer Kultur dürfen die Figuren gelten, die Wilhelm II [1] . in den Tiergarten stellen ließ. Doch die Siegesallee mit den "Puppen", wie der Volksmund die Statuen der Hohenzollernkönige nannte, fand eigentlich bei keinem der vielen Besucher rechte Gnade. (3) Am prononciertesten drückte sich wohl Carl Sternheim [2]  aus, der von den Statuen sagte, dass "ihre künstlerische Impotenz dem geschultem Auge Brechreiz verursache." (4) Der Anspruch Wilhelms II., seinen persönlichen Kunstgeschmack verbindlich für die Ausgestaltung der gesamten Stadt zu machen, wurde von ausländischen Besuchern belächelt, wenn nicht als größenwahnsinnig dargestellt. (5)

Abbildung 3:

Die Siegesallee mit den Statuen der Hohenzollernkönige

 

 

 

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Dabei dürfen nicht die vollkommen unterschiedlichen Ausgangspositionen vergessen werden, mit denen Paris und Berlin in diesen Jahren an ihrem Aussehen und ihrer Infrastruktur arbeiteten. Während Berlin einen heißen Kulturkampf um die Ausgestaltung der alten Prachtstraßen wie Unter den Linden erlebte, schien Paris durch die Haussmannschen "grands travaux" der Jahre zwischen 1852 bis 1861 städtebaulich für viele Jahrzehnte vorgesorgt zu haben.

Berlin, Parvenü unter den Hauptstädten Europas, erlebte zu dieser Zeit einen unvergleichlichen wirtschaftlichen Aufschwung sowie eine Migrationswelle aus dem Osten, die die slumartigen Arbeiterquartiere kaum aufzunehmen in der Lage war. Eine schrankenlose Industrialisierung, die neue Rolle als Hauptstadt des Deutschen Reiches, und damit der neue Rang als wirtschaftlicher, sozialer wie kultureller Mittelpunkt eines Landes von 56 Millionen Einwohnern, dies alles drohte die alte preußische Residenz, die sie noch kurz zuvor war, zu überfordern. Wie der Brockhaus von 1906 vermerkt, lebten zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur 40% geborene Berliner in der Stadt. In den Jahren zwischen 1871 und 1905 stieg die Bevölkerungszahl von 826341 auf 2040148 an und hatte damit um die Jahrhundertwende mehr Einwohner als die nächstkleineren Städte Hamburg, München und Dresden zusammen. (6) Und das wohlgemerkt zu einer Zeit als der bevölkerungsreiche Vorort Charlottenburg noch nicht einmal eingemeindet war. Erst durch die Gemeindereform von 1920 sollte die Stadt mit der neuen Einteilung in 20 Verwaltungseinheiten die Gestalt bekommen, die sie seitdem (mit einer Unterbrechung von einigen Jahrzehnten) bis heute prägt. 

Kein Wunder also, dass das Bild, das sich insbesondere die auswärtigen Besucher von Berlin machten, das einer hypertrophen, außer Kontrolle geratenen Großstadt war. Immer verrückter musste deshalb nach und nach die unausgesprochene Bezugnahme des Berliner Städtebaus auf Paris wirken. Vor allem die prunkvollen Wohnhäuser der Gründerzeit [3]  stachen ins Auge. Nicht nur einzelne Gebäude, vor allem die bauliche Uneinheitlichkeit musste gerade einem Besucher aus Paris auffallen. Für Henri Béraud [4]  etwa handelte es sich schlicht um einen "ocean des bâtisses, une débauche de maçonnerie." (7) Die Gründerzeit war für ihn geprägt von einer "hystérie de la construction" und hatte die hässlichsten Gebäude aller Zeiten hervorgebracht. Diese Vielfalt von Stilen und stilistischen Anlehnungen schaffte in seinem Verständnis allerdings keine Abwechslung, sondern war höchstens geeignet, die Augen zu ermüden, die Stadt war für ihn langweilig und monoton. (8)

Abbildung 4:

Pferdestraßenbahn auf der Weidendammer Brücke, 1900

 

 

 

 

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Abbildung 5:

Berliner Dom, 1906

 

 

 

 

 

 

 

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Zu den städtebaulichen Mängeln trat sowohl für viele Besucher (die naturgemäß eher den höheren Schichten entstammten) als auch für viele Berliner selbst das Fehlen einer echten Tradition. Das, was man gemeinhin an Städten wie Paris, London, aber auch Wien oder Prag schätzte, war das Vorhandensein eines alten städtischen Bürgertums mit ihren Clubs, Salons, kulturellen wie sportlichen Veranstaltungen. Daran mangelte es Berlin offenkundig. Zu schnell war es gewachsen und abgesehen vom Hof des preußischen Königs bildeten höchstens die Neureichen eine gewisse Oberschicht, denen man jedoch Geschmack wie Eleganz absprach. 

Schon einige Jahrzehnte zuvor hatte ein anderer Reisender ein später häufig zitiertes Wort geprägt, nämlich das von Berlin als "Chicago Europas". Mark Twain [7]  war es, der auf seiner Reise durch den alten Kontinent auch in Deutschland Halt gemacht hatte. Erst um die Wende zum 20. Jahrhundert jedoch wurde aus dem Vergleich Berlins mit den Großstädten der Neuen Welt ein Allgemeinplatz. Schließlich war es inzwischen kaum zu übersehen, dass die deutsche Hauptstadt in Bezug auf Wachstum und Dynamik nur mit New York und Chicago zu vergleichen war. Auch die Traditionslosigkeit, das Fehlen einer bürgerlichen Schicht und der den Einwohnern nachgesagte Pragmatismus sprachen für diese Gleichsetzung. Interessant ist dabei zu beobachten, wie sich die Berliner selbst angesichts dieses Vergleiches verhielten. Denn so kritisch sie sich journalistisch und publizistisch über das Bild als "Chicago an der Spree" äußerten, so frappanter war der Wandel, der sich in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts vollzog.

Abbildung 6:

Mark Twain (1835-1910)

 

 

 

 

 

 

 

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Abbildung 7:

Walther Rathenau (1867-1922)

 

 

 

 

 

 

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Denn nun schien Berlin in den Augen vieler Intellektueller seine Bestimmung gefunden zu haben. Die Zukunft lag in Amerika. Zu erklären ist dieser Sinneswandel nur, wenn man sich zugleich eine grundsätzliche Neubewertung der Metropole als besonderen Typus der modernen Großstadt vor Augen hält. Als einer der wichtigsten Texte, die diesen Wechsel in der Sicht Berlins dokumentieren, gilt Walther Rathenaus [9]  Die schönste Stadt der Welt, erschienen im Jahr 1899. (9) In nie gehörten, radikalen Worten forderte er darin ein "Werk planmäßiger Zerstörung", das vonnöten sei, um noch mehr Platz für die weitere Entwicklung der Millionenstadt zu schaffen. (10) Im Wissen darum, dass die preußische Tradition keine Schablone für das kommende, stetig wachsende Berlin der Zukunft sein konnte, wurde nun die zuvor so häufig beklagte Traditionslosigkeit der Stadt in einen Standortvorteil umgewertet. 

Einen ähnlichen Einfluss, wenn auch auf einer noch allgemeineren Ebene, erlangte ein Buch des Architekten und Kunsttheoretikers August Endell [10] , der in seinem Werk Die Schönheit der großen Stadt noch vor dem Ersten Weltkrieg den Ton anschlug, der später, zwischen den Kriegen nicht mehr verklingen sollte. "Um so schöner aber ist die Stadt als Arbeitswesen, als arbeitendes Gebilde", (11) heißt es darin und dies lässt erahnen, welche völlig neuen Themen hierin angesprochen werden. Bei Endell stand der Gedanke im Vordergrund, dass die Arbeit, die Organisation, das Ineinandergreifen vieler verschiedener Lebensprozesse das Wesen der Metropole ausmachten. Würde dies einem sensiblen, und der Moderne aufgeschlossenen Menschen schon ausreichen, um die dahinterliegende Schönheit zu erkennen und zu schätzen, müsse für den einfachen Bürger eine neue Ästhetik entwickelt werden, die die Schönheit der Arbeit widerzuspiegeln vermochte. Dazu käme die "Schönheit der menschlichen Ordnungen", (12) die sich nirgends so erfahren ließe wie in der Großstadt. Sowohl die sich immer weiter verfeinernden Arbeitsprozesse, als auch die Beziehungen der Stadtbewohner zueinander, zudem der gesamte städtische Verkehr, bildeten für Endell ein harmonisches Ganzes.

Abbildung 8:

August Endell (1871-1925)

 

 

 

 

 

 

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Abbildung 9:

Die Schönheit der großen Stadt (1906)

 

 

 

 

 

 

 

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Blickt man nun auf die Entwicklung Berlins nach dem Ersten Weltkrieg, scheint es fast, als ob Endell eine Art Programm aufgestellt hätte, nach dem sich die neuen Verantwortlichen orientierten. Denn in vielem wurde seinen Vorstellungen und Forderungen nachgekommen. In den ersten, von den unmittelbaren Kriegsfolgen und der Inflation geprägten Jahren noch gebremst, aber seit Mitte der zwanziger Jahre dafür um so rasanter und tatkräftiger, wurde eine tiefgreifende Umgestaltung der Stadt vorgenommen. Beginnend mit der Gemeindereform, die durch die Eingemeindung vor allem des reichen Charlottenburg endlich mehr Geld in die städtischen Kassen fließen ließ, schuf die neue Stadtverwaltung, in den entscheidenden Jahren, angeführt vom populären und äußerst tatkräftigen Oberbürgermeister Gustav Böß [12] , alle Rahmenbedingungen für eine gedeihliche Entwicklung der Stadt, die inzwischen auf mehr als 3 Millionen Einwohner angewachsen war.

Interessant ist hierbei, dass die heutigen Assoziationen wohl der meisten Menschen beim Thema "Berlin in den Goldenen Zwanzigern" kaum etwas mit der Einschätzung zu tun hatten, welche die meisten Berliner in der damaligen Zeit in Bezug auf ihre Stadt hegten. Insbesondere von Seiten der Stadtverwaltung und der von ihr gegründeten Fremdenverkehrsorgane wurden alle Anstrengungen unternommen, um dem Bild der Stadt als Lasterhöhle und modernem Babylon wirksam entgegenzutreten. Und tatsächlich war das Berlin der Nachtkneipen, Kabaretts und das der Prostitution nur eine unter mehreren Ebenen, auf denen die Stadt wahrgenommen werden konnte. Wichtiger war die Rolle der Stadt als Prototyp eines neuen Verständnisses großstädtischen Bürgerstolzes. Gerade in einem traditionell so städtefeindlichen Land wie es Deutschland über Jahrhunderte gewesen war, (13) bedeutete diese Haltung einen nicht unbedeutenden Mentalitätswandel.

Abbildung 10:

Titania-Palast
gebaut 1926-27
Steglitz, Schloßstrasse

 

 

 

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Und dieser Stolz bezog sich eben nicht mehr auf ästhetische Vorstellungen einer "schönen Stadt", die sich, wie Paris oder London, durch besondere Blickachsen, schöne Plätze und außergewöhnliche Denkmäler auszeichnete, sondern durch früher für profan erachtete Teile der städtischen Alltagswelt. Hierzu gehörte in besonderem Maße die im Vergleich zu anderen europäischen Städten (und nicht zuletzt zu Paris) vorbildliche Versorgung der Einwohner mit Wohnraum. Die Wohnungsgenossenschaften spielten hier eine besondere Rolle und schufen etwa mit der "Hufeisensiedlung [13] " in Britz, der Siedlung "Onkel-Toms-Hütte [14] " in Zehlendorf auch heute noch wirkende städtebauliche Glanzstücke.

Abbildung 11:

Hufeisensiedlung in Britz
Architekt Bruno Taut

 

 

 

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Abbildung 12:

Hauszeile in der Siemensstadt [16]  

 

 

 

 


Architekt Hugo Häring [17]

Neben Böß waren die wohl wichtigsten politischen Figuren der zwanziger Jahre Ernst Reuter und Martin Wagner [18] . Ernst Reuter als Verkehrsstadtrat und Martin Wagner als Stadtrat für den Hochbau waren Exponenten einer extrem modernen Kommunalpolitik. Besonders in den Stellungnahmen Martin Wagners zur Ausgestaltung des Berliner Verkehrs wird erkennbar, dass dem Individualverkehr wohl erstmals absolute Priorität innerhalb der Berliner Verkehrspolitik eingeräumt wurde: "Gegen die Entwicklung des Automobils als Massenverkehrsmittel werden wir uns vergeblich auflehnen ... Amerika ist das klassische Land der Großstädte. Die Großstädter haben sich dort die individuelle Befreiung von Ort und Zeit durch das Auto geschaffen." (14) Die Stadt entdeckte das mit dem Aufkommen benzingetriebener Automobile erwachte Mobilitätsgefühl. Großangelegte Bauprojekte wie der Hermannplatz in Neukölln, auf dem das gewaltige Karstadthaus einen direkten Zugang zur U-Bahn hatte oder die nicht vollendete Neugestaltung des Alexanderplatzes verweisen auf den Wunsch nach enger Verzahnung aller städtischen Funktionen.

Abbildung 13:

Das Karstadthaus am Hermannplatz bei Tag und bei Nacht
Architekt: Philipp Schaefer, Bauzeit: 1927-1929

Internet-Quelle [19]  

Abbildung 14:

Die Dachterrasse des Karstadthauses am Hermannplatz

 

 

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Wirtschaftlich setzte man im Berlin der Zwanziger Jahre nicht mehr nur auf die Industrie, sondern verstärkt auf den Handel und das Messewesen. Der Bau des Messegeländes [21]  mit dem neuen Wahrzeichen Funkturm [22]  und die Gründung einiger großer Messen wie der Automobilausstellung (1921), der Internationalen Funkausstellung [23]  (1925) und der Grünen Woche [24]  (1926) unterstreichen dies. 1926 fanden in den Hallen am Funkturm bereits 14 kleinere und größere Fachmessen statt. (15) Dabei fällt besonders auf, wie sehr man auch bei der Auswahl der Messen auf die konsequente Förderung neuer Industrien und Technologien setzte. Dafür spricht schon die Ausrichtung der Kino- und Photoausstellung (KIPHO) im Jahr 1925 und die der Internationalen Luftfahrt-Ausstellung 1929. (16) Groß angelegte Veranstaltungen, wie die vom Fremdenverkehrsamt und einigen Berliner Unternehmern gemeinsam organisierte Inititative "Berlin im Licht" im Oktober 1928, dienten ausdrücklich der Ankurbelung des Einzelhandels in den auch abends gut beleuchteten Geschäften der Innenstadt.

Abbildung 15:

Potsdamer Platz 1925

 

 

 

 

 

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Abbildung 16:

Funkturm Architekt: Heinrich Straumer, 192

 

 

 

 

 

 

 

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Abbildung 17:

Johann Emil Schaudt, Wettbewerbentwurf Alexanderplatz, 1929

 

 

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Ein weiterer wichtiger Zug Berlins dieser Zeit war die Sportbegeisterung. Großveranstaltungen im Sportpalast, Radrennen, Pferderennen, Boxkämpfe, Eislaufen und jede Art von Wassersport auf den ausgedehnten Wasserflächen im Weichbild der Stadt drückten der Zeit ihren Stempel auf. Doch spätestens hier beginnt sich allmählich auch ein Ansatzpunkt für die neue Kritik an Berlin abzuzeichnen. Auswärtige Besucher, allerdings auch viele Konservative in der Stadt selbst, prangerten diese Entwicklung als "Amerikanisierung" an und vermissten den Ernst und die "gute alte Zeit" der Monarchie, eine Kritik die natürlich niemals frei von nationalistischen und kulturkritischen Untertönen allgemeinerer Art war.

Abbildung 18:

Otto Dix: Elektrische, Holzschnitt (1920)

 

 

 

 

 

 

 

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Schließlich waren es nicht zuletzt die Nazis, die in der dynamischen Aufbruchstimmung der republikanischen Reichshauptstadt ihren Hauptgegner gefunden hatten. "Es ist kein Zweifel: die Stadt ist überfremdet. Gerade mit dem, was sie sich in den schlechten, in den guten, d.h. den etwa sechzig Jahren zwischen 1870 bis 1930 einverleibt und zugemutet hat, dem Pomp, dem Luxus, dem Tempo und all den äußeren Requisiten, ohne die sie glaubte, nicht leben zu können, hat sie sich gründlich den Magen verdorben." (17) Xenophobie paarte sich hier mit Antisemitismus und Deutschtümelei. Doch so bekannt die Großstadtfeindschaft des Nationalsozialismus auch war und ist, so mag der Elan verwundern, mit dem sich Hitler mittels seines Leibarchitekten Speer ein neues, gigantisch aufgeblasenes Neu-Berlin bauen lassen wollte, dessen Pläne und Modelle einen noch heute sprachlos machen.
Erklärlich aber wird dieser Versuch, wenn man sich zwei Punkte vor Augen hält: Zum einen den Umstand, dass das neue Berlin eben nicht mehr Berlin, sondern Germania [27]  heißen sollte; zum anderen aber, dass Hitler nichts anderes im Sinn hatte als eine neue, komplett andere Vorstellung einer Metropole. Den Nazis ging es eben nicht um eine Weiterentwicklung dessen, was in den Jahrzehnten zuvor erreicht und geschaffen worden war, sondern vielmehr darum, das dynamische Element, den Aufbruch und die Unruhe aus der Stadt zu verbannen. Berlin sollte im wahrsten Sinne des Wortes einbetoniert und ruhiggestellt werden. Das Wesen der nationalsozialistischen Metropole war der Stillstand und die reine Monumentalität. In noch viel stärkerem Maße, als dies schon bei Haussmann [28]  in Paris eine Rolle spielte, ging es natürlich auch um die Kontrolle der potenziell aufständischen Arbeiter durch breite Straßen und Aufmarschachsen für schwere Waffen und Panzer.

Abbildung 19:

Modell der Großen Halle, Germania Albert Speer [29]

 

 

 

 

 

 

 

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Doch obwohl Berlin durch die Entwicklungen des Zweiten Weltkrieges vor diesen Plänen verschont blieb, dauerte es doch einige Jahrzehnte, bis nach einer gewaltsamen Teilung der Stadt wieder ein Neuanfang gemacht werden konnte. Die Probleme, die Berlin dabei hat, zu einem neuen Selbstverständnis als Hauptstadt und Metropole zu gelangen, lassen die Leistungen der Stadt in den zwanziger Jahren noch eindrucksvoller erscheinen.

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Anmerkungen

(2) Jules Huret, Berlin um 1900, Berlin 1997, S. 14 (Erstausgabe Berlin 1909).

(3) Gerhard Masur, Das kaiserliche Berlin, München 1971, S. 216: „Die Siegesallee machte Berlin aber nicht zur schönsten Stadt, sondern zum Gespött der Welt.“ Eugène Beyens, Deux années à Berlin 1912-1914, 2 Bde., Paris 1931, hier Bd. 1, S. 44; auch bei Jules Huret, Berlin, S. 18, der von den „grimmen Hohenzollern“ sprach. Interessanterweise stießen diese Statuen selbst in deutschnationalen Kreisen auf wenig Gegenliebe; vgl. dazu den Führer durch Berlin und Potsdam, S. 25.

(4) Carl Sternheim, Berlin oder Juste Milieu, in Ders., Zeitkritik, Neuwied/ Berlin 1966, S. 105-171, hier S. 140f.

(5) So etwa von Pietro Isnardi, Berlino 1899-1900. Ricordi di un italiano, Mailand 1940, S. 75.

(6) Meyers Kleines Konversationslexikon, Bd. 2, Leipzig und Wien 1907, S. 328.

(7) Henri Béraud, Ce que j'ai vu à Berlin, Paris 1926, S. 13.

(8) Ebd., S. 13.

(9) Walther Rathenau., Die schönste Stadt der Welt, in Die Zukunft 7 (1899), S. 36-48.

(10) Ebd., S. 38.

(11) August Endell, Die Schönheit der Großstadt, Berlin 1984 (Erstausgabe Berlin 1912), S. 20.

(12) Ebd., S. 22.

(13) Das bekannteste Beispiel hierfür ist das Werk von Wilhelm Heinrich Riehl, Die Naturgeschichte des deutschen Volkes, Leipzig 1935 (Erstausgabe unter dem Titel: Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Social-Politik, Stuttgart und Augsburg 1854).

(14) Zitiert nach Berlin auf der Suche nach dem verlorenen Zentrum, hrsg. von der Architektenkammer Berlin, Berlin 1995, S. 30.

(15) Hasso Spode/ Matthias Gutbier, Berlin-Reise als Berlin-Geschichte, in Die Reise nach Berlin, Ausstellungskatalog, hrsg. von der Berliner Festspiele GmbH, Berlin 1987, S. 38.

(16) Jeder einmal in Berlin. Werbeprospekt, hrsg. vom Ausstellungs-, Messe- und Fremdenverkehrsamt der Stadt Berlin, Berlin 1929, S. 3.

(17) Hermann von Wedderkop, Das unbekannte Berlin. Ein Führer durch Straßen, Zeit und Menschen, Leipzig und Berlin 1936, S. 300; ähnlich bei Hermann Ullmann, Flucht aus Berlin?, Jena 1932, S. 47: “Den Berliner Stil, der ein ‘Unstil’ ist, machen die Fremden.“

 

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