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'Neue Urbanität an der Peripherie - Val d’Europe'
 
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Neue Urbanität an der Peripherie - Val d’Europe

Einer der Brennpunkte der Suburbanisierung des tertiären Sektors befindet sich ca. 35 km östlich der Kernstadt in Val d'Europe [1] . Genau genommen ist Val d'Europe, neben "Porte de Paris", "Val Maubuée" und "Val de Bussy", nur einer von vier Teilen, in die die Ville Nouvelle Marne-la-Vallée nach ihrer Gründung 1970 gegliedert worden ist. Doch in den folgenden dreißig Jahren blieb der östlichste Teil in seiner ländlichen Struktur unverändert, während sich die Entwicklung vor allem auf das der Kernstadt Paris nächstgelegene Noisy-le-Grand [2] konzentrierte.

Abbildung 7:

Marne-la-Vallée setzt sich, genau genommen, aus vier Teilen und 26 Gemeinden zusammen.

 


Internet-Quelle

Die Ölkrise von 1973 brachte die Entwicklung zunächst ins Stocken, und zu Beginn der 1980er Jahre lag die bauliche und wirtschaftliche Expansion des zwanzig Kilometer langen und vier Kilometer breiten Streifens, der die Ville Nouvelle "Marne-la-Vallée" werden sollte, deutlich hinter den anderen neuen Städten, z.B. Cergy-Pontoise, zurück. Obwohl im Plan von P. Delouvrier (dem erstem schéma directeur d'aménagement de l'Ile-de-France) die Schaffung von zwei Stadtzentren - eines in Noisy-le-Grand, das zweite in Magny-le-Hongre - vorgesehen war, drohte das Projekt an den finanziellen Engpässen der öffentlichen Hand zu scheitern.

Abbildung 8:

 Les Arènes de Picasso in Noisy-le-Grand, Ausdruck einer neuen Urbanität an der Peripherie von Paris. 

 

 


Internet-Quelle

Als der Disney-Konzern 1984 mit der französischen Regierung wegen der Errichtung eines Freizeitparks in Kontakt trat, waren die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Vertragsabschluss günstig. Hohe Arbeitslosenzahlen, eine leere Staatskasse und das Versprechen des amerikanischen Investors, 30.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen, führten 1987 zur Unterzeichnung eines Vertrages [3] zwischen dem Disney-Konzern einerseits und der französischen Regierung, dem Regionalrat, der RATP (der regionalen Transportgesellschaft), der regionalen Entwicklungsgesellschaft EPA und dem Syndicat d'Agglomération Nouvelle du Val d'Europe (SAN; ein Zusammenschluss der fünf Anrainergemeinden; vgl. SAN Val Maubuée [4] ) andererseits, in dem die Vertragspartner die einzelnen Verantwortungsbereiche der Entwicklung des 2.000 ha großen Areals von Val d'Europe innerhalb der nächsten dreißig Jahre festlegten (Bourcier 2002).

Abbildung 9:

Die funktionale Gliederung der Entwicklungszone Val d'Europe

 

 

 

http://www.valdeurope.com [5] ; eigene Erhebungen

Zunächst errichtete EuroDisney SCA [6] nur einen Themenpark, der im April 1992 eröffnet wurde und der vor allem in den ersten Jahren mit beträchtlichen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hatte. Erst nach der Konsolidierungsphase wurde der Park 1999 mit der Eröffnung der 610 Mio. Euro teuren Walt Disney Studios entscheidend erweitert (Belmessous 2002). Im Jahr 2002 haben 12 Millionen Gäste den Freizeitpark besucht, in dem mittlerweile 11.000 ständige Mitarbeiter beschäftigt sind (EuroDisney SCA 2003) und der neben eigenen, themenorientierten Hotelanlagen (z.B. Santa Fé, Sequoia Lodge, Newport Bay) auch eine Golfanlage umfasst.

Abbildung 10:

Das Disneyland-Hotel, eines der zahlreichen Hotels, die in Eurodisneyland entstanden sind.

 

 

 

Internet-Quelle [7]

Parallel zum Ausbau des Freizeitparks erfolgte die Erschließung des Areals mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Neben einem eigenen Zubringer zur Autobahn A4, die von Paris nach Strasbourg führt und dem Anschluss an das regionale Schnellbahnnetz RER (Réseau Express Régional) verfügt das Disney Resort heute über einen eigenen TGV-Bahnhof, in dem die Hochgeschwindigkeitszüge von London über den Flughafen Roissy-Charles de Gaulle nach Lyon und Marseille halten und der somit eine erstklassige Anbindung des Standortes an das internationale Verkehrsnetz gewährleistet.

Der Ausbau des Freizeitparks ist aber nur ein Aspekt der Entwicklung Val d'Europes. Bereits bei der Vertragsunterzeichnung hatte sich EuroDisney SCA das Recht zusichern lassen, von der EPA Grund und Boden zu erwerben und an Investoren seiner Wahl weiterzuverkaufen. Ziel war und ist, die Dynamik des Freizeitstandortes zu nützen und Besuchern auch außerhalb der Kernstadt Paris entsprechende urbane Infrastruktur zu bieten.

Abbildung 11:

Die Anbindung Val d'Europes an die öffentlichen Verkehrssysteme unterstreichen die internationale Bedeutung des Standorts

 

 

 

 

Internet-Quelle

Die Struktur des jüngsten Abschnittes der Ville Nouvelle Marne-la-Vallée spiegelt die Bedeutung des wichtigsten Investors der Region, EuroDisney SCA, wider. Inmitten einer riesigen Kreisverkehrsanlage liegt der durch Grüngürtel und Barrieren vom öffentlichen Bereich abgeschirmte Vergnügungspark. An der Westseite der Ringstraße befindet sich nicht nur die 2001 eröffnete neue Schnellbahnstation des RER, sondern auch ein neuer, multifunktionaler Stadtteil, dessen Kernbereich aus einer Shopping Mall [8] und einem als französischem Bauerndorf gestalteten und von einem Sicherheitsdienst bewachten Designer Outlet Center [9] besteht. Durch diese Einkaufszone mit ihren 200 Läden flanieren an Wochenenden täglich bereits bis zu 100.000 Besucher, der Umsatz liegt pro Jahr bei 450 Mio. Euro. Der Bereich rund um die RER-Station und um das Shopping Center soll das neue, urbane Zentrum Val d'Europes werden, ausgestattet mit Büroflächen, Hotels, Wohnungen und einer Universität (Hochschule für neue künstlerische Medien [10] ).

Abbildung 12:

Das Designer Outlet in Val D'Europe, getarnt als französisches Bauerndorf und von Sicherheitsbeauftragten bewacht

 

 

Aufnahme: M. Paal 2003

Abbildung 13:

Bauten im Stil des 19. Jh. sollen im neuen Zentrum Val d'Europes urbanes Lebensgefühl vermitteln

 

 

 

Aufnahme: M. Paal 2003

Sämtliche Pläne zur Gestaltung der Bauten in Val d'Europe werden vor der endgültigen Bewilligung durch die französischen Behörden dem Geschäftsführer der Disney Company vorgelegt, denn es ist das Ziel des Konzerns, "ein Image von Komfort und Sicherheit" zu entwickeln (Belmessous 2002) und das urbane Flair der Pariser Innenstadt auch an die Peripherie zu verpflanzen.

Die bisherigen, von der Landwirtschaft geprägten Strukturen der fünf Gemeinden passen nur zum Teil in dieses Konzept. Dementsprechend dramatisch sind die demographischen und wirtschaftlichen Veränderungen. Seit 1990 hat sich beispielsweise die Einwohnerzahl von Magny-le-Hongre versechsfacht und die Bevölkerungsstruktur verändert sich ebenso rasch. In den Neubaugebieten leben vor allem junge Familien, Angestellte mittleren Alters, die täglich nach Paris zur Arbeit pendeln (IAURIF/INSEE 2002). Die von EuroDisney vorgegebene Struktur der angebotenen Immobilien (vor allem Einfamilienhäuser und Vier- bis Sechszimmer-Apartments) ist speziell auf junge Haushalte mit Kindern, vorzugsweise aus der oberen Mittelschicht, abgestimmt - ein bewusst gestaltetes Angebot, das den Zuzug "unerwünschter" Bevölkerungsgruppen zudem auch über das Preisniveau reglementiert.

Die geplante Entwicklung des Wachstumspols Val d’Europe                                                                     

JahrBevölkerungszahlZahl der ArbeitsplätzeZahl der Wohnungen
199911900119004900
200115000158005400
200316900184006300
200621000246007800
Endausbau4050067000

15000

Quelle: Epamarne (L’Établissement Public d’Aménagement de la Ville Nouvelle Marne-la-Vallée) in: www.valdeurope.com (27.09.2003) 

Aufgrund der hohen Einnahmen aus der Gewerbesteuer zählen die fünf Kommunen, auf deren Gebiet Val d'Europe liegt, heute zu den reichsten Gemeinden der Ile-de-France. Die Ausbaupläne sprechen dafür, dass sich daran auch in nächster Zeit wenig ändern wird. Allerdings ist bei anhaltender Bautätigkeit und dem Anstieg der Bevölkerungszahl zu erwarten, dass anstelle der fünf Gemeinden eine neue administrative Einheit entsteht, deren bauliche, wirtschaftliche und soziale Entwicklung eng mit den Interessen des amerikanischen Konzerns verknüpft sein wird.