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'Attraktivität des elsässischen Standorts für deutsche Unternehmen *'
 
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Attraktivität des elsässischen Standorts für deutsche Unternehmen *

Das Elsass war als Investitionsziel für deutsches Kapital stets vor allen Dingen aus Gründen seiner geographischen Lage interessant. Die sprachliche und kulturelle Nähe zu Deutschland (bzw. die Zweisprachigkeit), die aus der Grenzlage und der gemeinsamen Geschichte resultieren sowie der Standortfaktor der räumlichen Nähe zur deutschen Grenze sind die am häufigsten genannten Ansiedlungsgründe.

Abbildung 7:

Deutsche Industrieansiedlungen in Frankreich
Beim regionalen Vergleich wird deutlich, dass in der deutsch-französischen Grenzregion offensichtlich ein Investitionsschwerpunkt deutscher Unternehmen existiert.

 

 

 

 

Internet-Quelle [1]

Gleichzeitig wird als Standortfaktor die sprachliche und kulturelle Nähe zu Deutschland besonders positiv wahrgenommen. Dies bedeutet im Vergleich zu den 1970er Jahren insofern eine Veränderung, als Untersuchungen von Marandon (1977, S., 177) seinerzeit als bedeutendste Entscheidungskriterien für die Standortwahl im Elsass Lohnkostenunterschiede, Markt- und Kundennähe, Verfügbarkeit von Arbeitnehmern und deren qualitatives Niveau, ausgebaute Infrastruktur und energietechnische Überlegungen für die deutschen Investoren besonders hervorhob. Folglich hat eine Verschiebung in der Bewertung der Standortfaktoren [2] stattgefunden.

Abbildung 8:

Strategien deutscher Investoren in Frankreich im Wandel

 

 

 

Internet-Quelle [3]

Abbildung 9:

Gründe für die Standortwahl

 

 

 

 

Quelle: eigene Erhebungen, 2003

Eigene Untersuchungen im Jahre 2003 haben ergeben, dass neben der geographischen Lage die elsässische Lebensqualität, die industrielle Tradition, die Qualifikation der Arbeitnehmer, das internationale Image und die Infrastrukturen sowie die infrastrukturelle Ausstattung von deutschen Unternehmern und Investoren als wichtige Entscheidungskriterien genannt werden. Interessant ist, dass die Markt- und Kundennähe des Elsass heute offensichtlich nicht mehr die Bedeutung hat wie noch vor 25 Jahren. Gleiches gilt für den Standortfaktor Lohnkosten.

Abbildung 10:

Bewertung der allgemeinen Standortfaktoren (in Prozent)
(Die Reihenfolge der Darstellung richtet sich nach den zusammengefassten Bewertungsoptionen "sehr gut" und "gut", die absteigend angeordnet sind.)

Quelle: eigene Erhebungen, 2003

Die Faktoren Arbeitsmentalität, soziales Klima und Wirtschaftsfreundlichkeit verzeichneten die beste Bewertung, während die Qualität und Verfügbarkeit von Gewerbeflächen und die Forschungsinstitutionen (F&E-Einrichtungen) im unteren Drittel der Bewertungen rangieren.

Abbildung 11:

Auf die Frage, ob ihre Erwartungen an den elsässischen Standort erfüllt wurden, äußerten sich die deutschen Unternehmen überwiegend positiv.


 

 




Quelle: eigene Erhebungen, 2003

Das Risiko einer massiven Standortdelokalisierung der deutschen Unternehmen scheint somit kurz- und mittelfristig nicht gegeben (vgl. auch Banque de France, 2003, S. 38). Bei rund zwei Dritteln der befragten Unternehmen wurden die an das Elsass gestellten Erwartungen erfüllt, für 28,3% wurden sie sogar übertroffen. Die deutschen Unternehmen sind also überwiegend mit ihrem elsässischen Standort zufrieden.

Im Rahmen der gleichen Befragung wurden auch die allgemeinen Entwicklungsmöglichkeiten des Standorts (64,1%) sowie die Entwicklungschancen für das eigene Unternehmen am Standort (69,4%) von einer deutlichen Mehrheit der deutschen Unternehmen mit gut bewertet. In dem Zeitraum 1999-2002 konnten zudem zwei Drittel der befragten Unternehmen eine Umsatzsteigerung erwirtschaften. Allerdings gingen für das Geschäftsjahr 2003 wegen der allgemeinen Wirtschaftslage nur noch 38% von einer Umsatzsteigerung aus, während eine Mehrheit eine Stagnation (46%) prognostizierte.

Abbildung 12:

Umsatzentwicklung1999-2002 und Prognose für 2003




Quelle: eigene Erhebungen, 2003

Auf die Frage nach Veränderungen in der Beschäftigtenzahl von 1999-2002 gab knapp die Hälfte der befragten Unternehmen an, dass ihre Mitarbeiterzahl gestiegen sei, in 27% der Fälle verharrte sie auf gleichem Niveau. In Zukunft wollen 62,3% weder entlassen noch einstellen, 27,9% beabsichtigen weitere Neueinstellungen, nur 8,2% tragen sich mit der Absicht von Entlassungen. Zusätzliche Investitionen wollen in absehbarer Zukunft 46% der deutschen Unternehmen vornehmen. 62% sehen in ihrer Planung keine Standortverlagerung vor. Besonders Aktivitäten des tertiären Sektors wollen die Unternehmen am elsässischen Standort belassen. Insbesondere werden zukünftige Investitionstätigkeiten im Bereich des Segments Vertrieb geplant, was auf die besonders günstigen infrastrukturellen Standortvorteile verweist.

Gleichwohl bedeuten diese Zahlen auch, dass rund ein Drittel der befragten Unternehmen durchaus eine Standortverlagerung nicht ausschließt. Eine alle ausländischen Unternehmen erfassende Umfrage der Banque de France (2003, S. 38) hat ergeben, dass hiervon eher größere Industrieunternehmen betroffen sind. Sie werden, und das trifft auch auf alle deutschen Unternehmen zu, inzwischen von Regionen angezogen, in denen billiger und mit weniger Auflagen produziert werden kann. Weniger von dieser Tendenz scheinen kleinere Unternehmen, insbesondere des Dienstleistungssektors, betroffen zu sein. Eine Konsequenz dieser Entwicklung ist z. B., dass im Jahre 2002 nach einem Ranking von AFII die Region Elsass hinsichtlich der durch ausländisches Kapital geschaffenen Arbeitsplätze innerhalb Frankreichs unter den 22 Programmregionen erst auf Rang 16 (in Bezug auf die Anzahl der durchgeführten Projekte an 13. Stelle) erschien. Offensichtlich kann das Elsass in der jetzigen Situation seine traditionell privilegierte Stellung hinsichtlich ausländischer Investitionen nicht mehr verteidigen.

In Anbetracht dieser Entwicklungen scheint es möglich, dass sich die bisher als Vorteile wahrgenommenen Standortfaktoren des Elsass (in erster Linie die sprachliche und kulturelle Nähe zu Deutschland, die geographische Lage und die industrielle Tradition, die Zugehörigkeit zur EU) in Zukunft als Nachteile herauskristallisieren könnten. Diese Faktoren waren bisher gerade für amerikanische Investoren, so die Banque de France, Hauptanziehungsfaktoren. Sie könnten sich aber durch die EU-Osterweiterung durchaus relativieren, so zumindest die Befürchtungen. Weiterhin könnte sich auch das Image einer Region mit industrieller Tradition und einer relativen Schwäche des tertiären Sektors, wie die Bewertung der sozio-ökonomischen Standortfaktoren (Qualität und Dichte der Wirtschaftsdienste, Forschungsinstitutionen / F&E-Einrichtungen) durch die Unternehmen zeigen konnte, in Zukunft für den elsässischen Standort nachteilig entwickeln.

Abbildung 13:

Im Mai 2004 hat sich die Europäische Union von 15 auf 25 Mitgliedsstaaten vergrößert. Die damit vollzogene „Osterweiterung“ könnte auch den wirtschaftlichen Schwerpunkt nach Osten verlagern, so zumindest wird gelegentlich auch im Elsass befürchtet.

 

 

Internet-Quelle [4]

Sollte sich zusätzlich der Vorteil der Zweisprachigkeit und das Bild einer dynamischen Industrieregion verschlechtern – für beides gibt es teilweise alarmierende Anzeichen –, dann drohten sich die Nachteile des Elsass besonders für anglophone und/oder im Dienstleistungsbereich tätige Unternehmen noch drastischer auszuwirken. Als negative Faktoren nennt die Banque de France derzeit außerdem die traditionell eher schlechten Verbindungen der Region mit Paris und mit anderen großen Metropolen sowie die inzwischen stark gestiegene Grundstückskosten, die besonders in einem Mangel an Grundstücken und Immobilien begründet lägen.

Angesichts dieser Situation und der gegenwärtigen Investitionsflüsse aus dem Ausland, die sich stärker auf andere französische Regionen richten, stellt sich die Frage, inwieweit die herausragend gute Bewertung der kulturellen und sprachlichen Nähe durch die deutschen Unternehmen, die zahlenmäßig am stärksten im Elsass vertreten sind, auch weiterhin im Vordergrund stehen wird. Anders formuliert stellt sich die Frage, ob der elsässische Standort für deutsche Investoren auch in Zukunft attraktiv bleiben wird.

Hierbei könnte auch die Frage des Integrationsgrades der deutschen Unternehmen in die elsässische bzw. oberrheinische Wirtschaft eine Rolle spielen. Eigene Erhebungen (2003) haben diesbezüglich ergeben, dass die deutschen Unternehmen nur schwach in die elsässische bzw. oberrheinische Wirtschaft eingebettet sind (bezogen auf den mit elsässischen bzw. oberrheinischen Partnern erwirtschaftete Umsatz).

Abbildung 14:

Einbettung in die elsässische/oberrheinische Wirtschaft

 

 

Quelle: eigene Erhebungen, 2003 

Somit ist es nicht verwunderlich, dass speziell oberrheinische Netzwerke für die Befragten von geringerer Relevanz sind als französische oder europäische. Eine Mehrzahl der Unternehmen, die oberrheinische bzw. französische Netzwerke für sich als relevant erachtet, verfügt über ein Entscheidungszentrum im Elsass selbst. Somit können diese Unternehmen die elsässische Wirtschaftsstruktur nachhaltiger stärken als Unternehmen, die von außerhalb der Region geleitet werden.

Nur eine Minderheit der Unternehmen (21%) unterhält interregional grenzübergreifende Produktionssysteme bzw. andere vergleichbare grenzübergreifende Strukturen. Und dies, obwohl die besonders gute Bewertung des Standortfaktors räumliche Nähe zum Mutterkonzern einen intensiveren Austausch zwischen dem elsässischen Standort und dem Mutterkonzern zunächst vermuten lässt.

Erfreulich ist, dass die politische Grenze auf regionaler Ebene als weitgehend irrelevant für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit eingestuft wurde. Rund drei Viertel der befragten Unternehmen gaben an, dass es ihnen letztlich egal sei, ob sie mit deutschen oder französischen Unternehmen zusammenarbeiten, auch wenn von nicht wenigen Firmen eingeräumt wurde, dass es hinsichtlich Unternehmens- und Arbeitskultur zwischen den deutschen und französischen Unternehmen durchaus erhebliche – wenn auch überwindbare – Unterschiede gäbe.

* Die Ergebnisse beruhen auf einer Unternehmensbefragung vom Herbst 2003, die im Rahmen meiner Diplomarbeit erhoben wurde. Sie beruhen auf 65 ausgewerteten Fragebögen.