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'Die Aussöhnungs- und Europapolitik der IV. Republik'
 
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Die Aussöhnungs- und Europapolitik der IV. Republik

Als dann am 9. Mai 1950 Außenminister Robert Schuman [1] einen als sensationell empfundenen Vorschlag für eine "Europäische Kohle Stahl Union" machte und dieser Vorschlag und seine Grundidee fortschreitende europäische Zusammenschlüsse in konkreten Bereichen die nachhaltige Unterstützung der Vereinigten Staaten fand, die von dem Vordenker des Plans, dem Planungskommissar Jean Monnet [2] , konsultiert worden waren, war zwischen dieser Methode und der gaullistischen Konzeption für Europa ein wichtiger Gegensatz vorprogrammiert: die Nähe bzw. die Distanz eines sich entwickelnden europäischen Zusammenschlusses zu den USA.

links: Robert Schuman (1886 – 1963) und rechts: Jean Monnet (1888 – 1979),
zwei der herausragenden Gründungsväter Europas
    

 

 

Quelle: links [3] / rechts [4]

Bald nach Ausbruch des Koreakriegs drängten die USA auf einen deutschen Verteidigungsbeitrag innerhalb der integrierten Streitkräfte des am 4. April 1949 gegründeten Nordatlantikpakts [5] , und Bundeskanzler Adenauer ließ schnell seine Bereitschaft dazu erkennen, löste damit aber starken Widerspruch aus auch innerhalb der Bundesrepublik. Frankreich antwortete am 24. Oktober 1950 mit einem wieder von Planungskommissar Jean Monnet inspirierten Vorschlag für eine "Europäische VerteidigungsGemeinschaft [6] " (EVG) und einer integrierten Europa Armee, in der deutsche Kontingente in Höchststärke von "Combat Teams" später sprach man von Brigaden vertreten sein sollten. Als schließlich am 27. Mai 1952 ein Vertrag unter den sechs Mitgliedern der im April 1951 beschlossenen "Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl" (Montanunion [7] ) zustande kam, sah er die Integration der nationalen Streitkräfte unter einem gemeinsamen Oberbefehl bei gleicher Ausrüstung, Ausbildung und Dienstzeit der Soldaten vor. Adenauer hatte formell das durchgesetzt, was er verlangte und was auch schon die Vorschläge Monnets grundsätzlich zugebilligt hatten: die Gleichberechtigung aller Beteiligten.

Trotzdem gab es Unterschiede. Die Aufstellung deutscher Divisionen war vermieden worden und Frankreich behielt neben seinen integrierten Streitkräften auch noch eine unabhängige nationale Armee zur Verteidigung des Kolonialbesitzes. Nach mehr als zweijährigem Zögern mehrerer Pariser Regierungen, die vor allem Kolonialpolitik machten, lehnte schließlich die französische Nationalversammlung am 30. August 1954 den EVG-Vertrag ohne größere Aussprache ab. Gleichzeitig damit wurde auch ein Vertrag über eine weitgehend integrierte "Europäische Politische Gemeinschaft" Makulatur. Eine innenpolitische Auseinandersetzung, die ganz Frankreich, manchmal einzelne Familien, in zwei Lager spaltete, war vorausgegangen. Die Idee einer Vereinigung Europas auf der Basis fortschreitender Integration war gescheitert; Konrad Adenauer sprach vom "schwärzesten Tag für meine Politik". Mit dem Scheitern dieser Verträge war auch ein "Deutschlandvertrag" von 1952, der Bonn mehr souveräne Rechte gab, in Frage gestellt.

Die Mitgliedstaaten der Westeuropäischen Union

Quelle: www.rk-limburg.de/rklm/sipol/4_weu.htm

Aber das scheinbare Ende der Bemühungen um eine deutsche Wiederbewaffnung und die Eingliederung in eine westliche Sicherheitsgemeinschaft war schnell überwunden. Dank sofortiger englischer Vorschläge und amerikanischer Unterstützung konnte schon am 28. September 1954 in London zwischen allen Beteiligten und mit Beteiligung Englands ein Kompromiß gefunden werden, der bis Ende des Jahres zum Eintritt der Bundesrepublik in eine formell wiederbelebte, 1948 gegründete "Westeuropäische Union [8] " (WEU) und damit in die NATO und zur Ratifizierung des "Deutschlandvertrages" führte.

Gleichzeitig war ein scheinbares Nebenprodukt, ein Kompromiß in der offenen Frage der Zukunft des Saargebietes [9] gefunden worden: Es sollte mit Zustimmung der Saarbevölkerung "europäisiert" werden. Da keine europäische Autorität sichtbar war, lehnte die Saarbevölkerung am 23. Oktober 1955 das angebotene Saarstatut mit großer Mehrheit ab und Frankreich erkannte in diesem Votum [10] den Willen zur Rückkehr in den deutschen Staatsverband nach Befriedigung wirtschaftlicher Forderungen an. Das Ende der Saarstreitigkeiten wirkte entspannend für die Beziehungen zwischen Paris und Bonn.

Wichtig für die fortschreitende Normalisierung der deutsch-französischen Beziehungen war auch die Stabilisierung Europas innerhalb des Ost-West-Gegensatzes. Solange die Westorientierung von Bundeskanzler Adenauer in der deutschen Parteienlandschaft und Öffentlichkeit dem Vorwurf ausgesetzt gewesen war, er "sabotiere" die Chancen der Wiedervereinigung, behaupteten sich auch in Frankreich die Warnungen vor einem "neuen deutschen Rapallo" oder einem neuen "Hitler-Stalin-Pakt [11] ". Beginnend mit der "Deutschland-Konferenz [12] der vier Siegermächte" in Genf im Juli 1955, die mit manchen Erwartungen in Richtung auf eine "Österreich-Lösung", also einer Neutralisierung Deutschlands, begann, aber mit dem Eindruck endete, dass sich alle Seiten zunehmend mit einer Konsolidierung der Teilung abfanden, verstummten in Frankreich die Warnungen vor einer deutschen Schaukelpolitik. In der Folge verdichteten sich die Hinweise auf ein entstehendes Vertrauensverhältnis.

Auf der sog. Genfer Konferenz (= Deutschland-Konferenz der vier Siegermächte) steht die Deutsche Frage im Mittelpunkt. Es werden verschiedene Lösungen vorgeschlagen. Doch eine Einigung kommt nicht zustande. Die vier Siegermächte können sich lediglich auf die "Genfer Direktive" verständigen: Danach besteht zwischen der Wiedervereinigung Deutschlands auf der Grundlage freier Wahlen und einer Entspannung in Europa ein unauflöslicher Zusammenhang.

Quelle: www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/JahreDesAufbausInOstUndWest/ZweiStaatenZweiWege/dieDeutscheFrage.html

In der IV. Republik entwickelte sich nach dem Abenteuer eines englisch-französisch-israelischen Überfalls auf den Suezkanal, dem eine sowjetische Atomdrohung und eine französische Distanzierung von den USA folgte, der Entschluss zum Bau von eigenen Atomwaffen. Gleichzeitig entstanden Pläne einer strategischen Zusammenarbeit mit Deutschland und Italien, die zu geheimen Rüstungsabsprachen führten. Vertrauensbildend verliefen auch die Verhandlungen um einen europäischen gemeinsamen Markt, die den Stillstand der Europa Politik nach dem Scheitern der Europa-Armee überwanden. Sie führten am 25. März 1957 in Rom zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [13] (EWG), die dann 40 Jahre lang die Grundlage für die sich immer mehr erweiternde Zusammenarbeit Europas wurde.