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'Die Bedeutung der Agrarverbände'
 
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Die Bedeutung der Agrarverbände

Entscheidendes Gewicht im politischen Raum vor den Parteien gewannen hier wie dort die großen Agrarverbände. Der Bayerische Landbund, der in der Tradition der agrarkonservativen Massenagitation des Bundes der Landwirte seit den 1890er Jahren stand und bis in die kleinen Bauerndörfer hinein aktiv war, verband die Vertretung materieller bäuerlicher Interessen mit antiparlamentarischen, monarchistischen und völkisch-nationalistischen Zielen. Allein seinem enormen Einfluss im evangelischen Agrarmilieu verdankte der parteipolitische Bündnispartner DNVP, dessen Repräsentanten oft gleichzeitig auch Landbundmitglied waren, die Erfolge bei den Wahlen der 1920er Jahre. Eine so enge organisatorische Verflechtung zwischen der dominierenden Provinzpartei und dem Bauernverband – Vertrauensmännerversammlungen des Landbunds stellten sogar DNVP-Parlamentskandidaten auf – konnte schon aufgrund der loseren Strukturen des Radikalsozialismus [1] in der Corrèze nicht entstehen; der parteipolitisch unabhängige Präsident der Féderation Faure war allerdings mit Hilfe des Parti radical zum Senator gewählt worden, und auch viele wichtige Positionen im Verband wurden durch PRS-Politiker bekleidet, so dass eine nahe Verbindung bestand und die Fédération Faure eindeutig zu den ”republikanischen” Verbänden gezählt werden konnte.

Im Landvolk Westmittelfrankens dagegen vergrößerte sich die fast von Anfang an bestehende Distanz zur Weimarer Republik [2] in der Phase der Inflation und ihrer schmerzlichen fiskalischen Bewältigung in den Jahren 1923/24 noch weiter. Während sich die (agrar-)ökonomische Entwicklung in der deutschen Provinz als eine nahezu permanente Krise darstellte, erlebte die französische (Land-)wirtschaft ”gesegnete zwanziger Jahre”, wodurch sich die Affinität zur Republik - trotz struktureller Krisensymptome und ebenfalls heftiger, freilich weit hinter den deutschen Zahlen zurückbleibender Inflationsschübe - eher kräftigte. Zu allem hin wuchs sich die soziale Krise in dem von der Hyperinflation heimgesuchten Deutschland zu einer schweren national-sozialen Depression aus, weil der französische Einmarsch in das Ruhrgebiet 1923 die Demütigung durch den Versailler ”Schmachfrieden” zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt erneut ins Gedächtnis rief. Nur vor diesem Hintergrund ist das ”Wetterleuchten” der völkischen Bewegung in Westmittelfranken - nach dem Hitler-Putsch [3] und dem vielbeachteten Hitler-Prozess - bei den Wahlen im Frühjahr 1924 zu verstehen. Die Corrèze und ganz Frankreich erlebten dagegen bei den Parlamentswahlen 1924 den Sieg eines Linkskartells aus SFIO [4] und PRS [5] , das angesichts des geringeren ökonomischen Problemdrucks eine stark kulturpolitisch bestimmte Kampagne zu führen und vor allem die Sorgen republikanischer Laizisten wegen politischer Zugeständnisse des Block national an die Kirche zu instrumentalisieren vermochte.

Abbildung 11:

Französische Armeeverbände beim Aufmarsch am Essener Hauptbahnhof im Zuge der Ruhrbesetzung 1923.

 

 

Internet-Quelle [6]

Abbildung 12:

Der Versailler Frieden sah die Abtretung des Elsass und Lothringens von Deutschland vor, außerdem Reparationszahlungen an Frankreich für die materiellen und ideellen Schäden. Auf Frankreich entfielen 66 Milliarden der insgesamt 132 Milliarden Goldmark, die Deutschland an die Siegermächte zu zahlen verurteilt wurde. Das Rheinland, die am stärksten industrialisierte Zone Deutschlands, wurde entmilitarisiert und ab 1923 von Frankreich militärisch besetzt

Internet-Quelle [7]

Als sich die Radicaux nach dem letztlich wirtschafts- und finanzpolitisch bedingten Scheitern des Linkskartells auf Bündnisse mit den Konservativen im Parlament einließen, setzte indes in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre ein zunächst schleichender Prozess der Entfremdung gegenüber dem angestammten Wählermilieu ein. Er ähnelte den Schwierigkeiten der Deutschnationalen in Westmittelfranken, nachdem sich die DNVP im Reich zwischen 1925 und 1927 an der Regierung beteiligt und eine Reihe unpopulärer wirtschafts-, sozial und reparationspolitischer Maßnahmen mit zu verantworten hatte. Die in Jahrzehnten gewachsenen personalen und institutionellen Einflussstrukturen der regionalen Milieuparteien hielten dem wachsenden Druck der politischen Gegner noch bis zum Einbruch der Weltwirtschaftskrise stand, dann aber brachen die Dämme, wenn auch aufgrund der schärferen Ausprägung der Probleme in Westmittelfranken die Flut viel höher stieg. Dort lösten sich vor allem die Bindungen zwischen der unter Hugenberg zunehmend auf großagrarische und schwerindustrielle Interessen konzentrierten DNVP und dem klein- und mittelbäuerlichen fränkischen Landbund zeitweilig ganz auf, während sie zwischen Fédération Faure und Radicaux in der Corrèze lediglich an Kraft verloren, als der einheimische PRS-Landwirtschaftsminister Henri Queuille [8] die Agrarkrise nicht in den Griff bekam.

Abbildung 13:

Henri Queuille (1884-1970), eine der bedeutendsten politischen Persönlichkeiten der Corrèze.
Er war u.a. Bürgermeister von Neuvic d’Ussel (1912-1965), Abgeordneter in der Nationalversammlung, Landwirtschaftsminister (1926-1928), Gesundheitsminister (1930), Bauminister (1932), ab 1935 Präsident des Generalrates und Senator. Unter der Präsidentschaft von Vincent Auriol nahm er dreimal die Leitung des Ministerrates und nahm gleichzeitig die Funktion des Innen- und Finanzministers wahr.

 

Internet-Quelle