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Abbildung 1:

Der Friedhof von Saint-Privat
(Gemälde von Alphonse de Neuville)

 

 

Internet-Quelle [1]

Vorbemerkung

Nach der Niederlage von Sedan beginnt von Herbst 1870 an eine Bevölkerungsbewegung aus den deutschen Staaten in Richtung der Provinzen Elsass und Lothringen, die wenig später durch das Gesetz vom 9. Juni 1871 dem Deutschen Reich angegliedert werden. Fünfundvierzig Jahre lang, während zweier Generationen also, ist in der Folgezeit ein ununterbrochener Einwandererfluss aus quasi allen Reichsstaaten ins sog. Reichsland zu beobachten.
Die von der Berliner Regierung betriebene Politik erscheint uns heute als einer der brutalsten, gleichzeitig aber auch originellsten Versuche, den Charakter einer annektierten Bevölkerung zu verändern. Die Preußen haben zwar nie auf die in Polen angewandten Methoden zurückgegriffen und ihre Politik erreichte niemals die von der französischen Geschichtsschreibung zu Beginn dieses Jahrhunderts angeprangerten Exzesse.
Doch für das Elsass war dies ein harter, von der Bevölkerung schmerzlich empfundener Bruch. Im Jahre 1871 war das Elsass zweifellos eine französische Provinz, und dies gröbtenteils seit über zwei Jahrhunderten. Die seit Ludwig XIV. sowohl auf politischer als auch auf kultureller und sprachlicher Ebene durchgeführte Französierungspolitik hatte ihre Früchte getragen, darüber sind sich alle zeitgenössischen Zeugen einig.

Abbildung 2:

Deutsches Reich 1871-1918

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [2]

Abbildung 3:

Das Reichsland Elsaß-Lothringen

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [3]

Nach dem Frankfurter Friedensvertrag werden das Elsass und ein Teil Lothringens durch das Unionsgesetz dem Deutschen Reich angeschlossen. Unmittelbare Folge dieser Annexion war eine anhaltende Abwanderung der elsässischen Bevölkerung nach Frankreich, wobei die Region meistens ihr dynamischstes Bevölkerungselement einbübte. Andererseits führte die Reichsregierung in Berlin eine systematische Einwanderungspolitik durch. Um diese zu verwirklichen, standen ihr rd. 45 Jahre zur Verfügung. Das entspricht fast zwei Generationen, einem Zeitraum also, der hätte genügen können, um die elsässische Provinz mit dem Deutschen Reich zu verschmelzen.

Eine der erstaunlichsten Folgen jenes Einwandererzuflusses waren die Eheschliebungen zwischen eingewanderten Deutschen und der elsässischen Bevölkerung. Sie fanden vor allem in den Städten statt, insbesondere in Strabburg, wo allein über 10.000 solcher Mischehen geschlossen wurden, wie die systematische Durchsicht der Heiratsregister zwischen 1871 und 1914 ergab. Das Besondere an diesen Ehen zwischen Deutschen - d.h. Angehörigen einer Nation, die bis vor kurzem Krieg gegen Frankreich führte und danach die elsässische Provinz besetzte und schließlich annektierte - und elsässischen Einheimischen ist von Zeitgenossen unterschiedlich bewertet worden. Je nach Sozialstand oder Bildungsgrad haben sie solche Ehen missbilligt und verurteilt, einige haben sie aber auch akzeptiert.

Wie kamen nun diese Mischehen zwischen deutschen Einwanderern und Elsässern zustande? Auf welcher Grundlage wurden sie geschlossen? Welche sozialen Klassen, welche beruflichen und sozialen Gruppen waren betroffen? Gab es bevorzugte Zeitphasen? Müßte man bei den Einwanderern nicht auch unterscheiden zwischen den Gruppen, denen es gelang, sich in der Stadt zu integrieren und denjenigen, die sich abgestoben fühlten? Und wer waren überhaupt diese Deutschen, die zwischen 1871 und 1914 ins Elsass einwanderten?