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'Deutsche Europapläne in der Frühen Neuzeit'
 
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Deutsche Europapläne in der Frühen Neuzeit

Im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation war im 16. Jahrhundert noch die Auffassung weit verbreitet, dass der Kaiser die (europäische) Christenheit zu schützen habe und ihr eigentlicher Herrscher sei. Dies war mit ein Grund, warum die weibliche Europakarte, das Sinnbild der Christlichen Republik, im Reich so großen Anklang fand.

Weiblich stilisierte Europakarte

aus Sebastian Münsters (1488-1552) Kosmographie, die erstmals 1544 in Basel gedruckt wurde und bis 1650 vermutlich 27 deutsche Ausgaben sowie Übersetzungen in andere Sprachen erlebte. Eine weiblich stilisierte Europakarte gab es in den ersten Ausgaben scheinbar noch nicht. Sie findet sich erstmals in der Baseler Ausgabe von 1550, die aber Europa noch nicht direkt zur Jungfrau oder Königin macht, sondern lediglich die Rockform als Stilisierungsmittel benutzt.

 



Internetquelle [1]

Diese Versinnbildlichung kann als der originellste Beitrag zu einer Vorstellung von Europa aus dem Reich bezeichnet werden. Einige berühmte nicht-deutsche Humanisten, die aber mit Blick auf das Reich oder sogar im Blickwinkel des Reiches schrieben, machten sich entweder, wie der spanische Arzt Andrés de Laguna [2] , die Vorstellung von der Dame Europa als Sinnbild der Christlichen Republik zu eigen, oder entwickelten, wie Erasmus von Rotterdam [3] , eine Friedensidee (Erasmus von Rotterdam, Querela Pacis (Die Klage des Friedens)... ), die bereits der Vorstellung von einem Europa der Nationen nahe kam. Erasmus wetterte gegen das unselige Prinzip der Verknüpfung von dynastischer Heiratspolitik und Krieg und plädierte für eine Festschreibung der staatlichen Grenzen. Dann würde Frieden einkehren, und mit dem Frieden wirtschaftlicher Wohlstand. Die - modern ausgedrückt - Friedensdividende würde den Verzicht auf die Erweiterung eines Territoriums aufwiegen.

Obwohl die Idee einer vom Kaiser geführten (europäischen) Christenheit schon im 16. Jahrhundert nicht mehr sehr realistisch, aber propagandistisch doch wertvoll war, wurde sie erst nach dem Westfälischen Frieden weitestgehend fallen gelassen. Danach setzte in den deutschen Europavorstellungen eine ausgesprochene Trendwende ein, die von einer erheblichen "Europaskepsis" gekennzeichnet wurde. Im Mittelpunkt der Debatte stand dabei einige Zeit der Friedensplan des Abbé de Saint-Pierre [4] , den z.B. Leibniz [5] entschieden ablehnte. Die Europaskepsis wurde recht anschaulich durch Eobald Tozen [6] dargelegt, der 1752 eine Anthologie von Europaplänen veröffentlichte. Tozen war der Ansicht, dass die Staaten nichts von ihrer Souveränität abgeben würden - was Voraussetzung eines jeden Planes zu einer Einigung Europas sei.

Zentraleuropa um 1786

 

 

 

 

Internetquelle: lib.utexas.edu/maps/historical/shepherd/

Durch die Kriege im Zeitalter der Französischen Revolution erhielt die Idee vom Ewigen Frieden erneut Nahrung. 1795 publizierte Kant im Kontext des Baseler Friedens [7] zwischen Frankreich und Preußen (April 1795) seine Schrift "Zum ewigen Frieden" (Kant, Immanuel: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf [1795], hg. von Rudolf Malter, Stuttgart 1993). Kants Entwurf bezog sich nicht allein auf Europa, sondern auf die Welt. Kant postulierte im Innern der Staaten Rechtsstaatlichkeit, ohne die es keinen internationalen Frieden geben könne. Als Grundlage von Rechtsstaatlichkeit sah er die Menschenrechte an. Die Verbindung der Idee von einem Völkerbund, wie er bei Kant anklingt, mit einer Normen- und Wertegemeinschaft (Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte) als Grundlage, wirkte bis weit in das 20. Jahrhundert in die Gründung des Völkerbundes [8] (1920) und der Vereinten Nationen [9] (1945) hinein. An Kants Schrift schloss sich in Deutschland eine sehr breite Diskussion um einen "Ewigen Frieden" an (Dietze, Anita/Dietze, Walter (Hg.): Ewiger Friede? Dokumente einer deutschen Diskussion um 1800, München: Beck, 1989 ), doch wurde diese Diskussion von den Kriegen der Napoleonischen Ära überrollt.