French
German
 
 
 
 
 
 

Bestandsaufnahme

Ganz allgemein betrachtet ist der Bildungsbereich erst 1992 in Maastricht in den offiziellen europäischen Handlungskatalog aufgenommen worden. Allerdings empfahl die Kommission bereits 1988, dieses neue Betätigungsfeld in den Lehrplänen und der Lehrerausbildung zu berücksichtigen, entsprechende Unterrichtsmaterialien zu erarbeiten und eine Politik zur Förderung der Mobilität von Schülern und Lehrern zu entwickeln.

Wir werden Gelegenheit haben, über Programme zu sprechen. Was Austausche und Mobilität in Europa angeht, so sieht die Wirklichkeit folgendermaßen aus: Im Jahr 2003 sind 300.000 von 83 Millionen Schülern der Primarstufe beteiligt gewesen, 0,5 von 1.000 Schülern der Sekundarstufe und 20.000 von 4 Millionen Lehrern. Leider muss man, um die schöne Formulierung eines Kollegen zu wiederholen, feststellen, dass Europa zwischen einem unvollendeten politischen Projekt und einem ungewissen Unterrichtsgegenstand liegt.

Deutsch-französische Schülergruppe während eines gemeinsamen Besichtigungsprogramms. Aber: nur rd. 300.000 von 83 Mio. Grundschülern und im Durchschnitt nur 1 von 2.000 Gymnasiasten nahmen innerhalb Europas im Jahre 2003 an einem internationalen Schüleraustausch teil.

(Quelle: anna-schmidt-schule.de/CHRONIK/2000/austausch/franz-2000.htm, inaktiv, 15.09.2004)

Befragt man unsere Schüler, stellt sich heraus, dass sie sich wenig auf das beziehen, was ihnen die Schule vermitteln kann, sobald es darum geht, über Europa und die drängenden Fragen zu reflektieren, die es betreffen. Schulkenntnisse dienen offenbar nicht dazu, die kulturelle oder politische Einheit Europas wahrzunehmen. Die Schüler bejahen im Allgemeinen den Aufbau Europas, aber sie denken wenig nach über eine europäische Identität. Schon der Begriff erscheint ihnen vage und das Thema keinesfalls dringlich. Sie sind zunächst Europäer, weil ihr Land in Europa liegt und sie dort leben. Sprechen sie über Europa, dann fast immer aufgrund des selbst Erlebten. Etwas überspitzt würde ich sagen, dass ihr Europa eher das Europa der Medien als jenes der Geschichte ist und sie, sofern sie gängige Formulierungen aufnehmen, gerne erklären, dass Europa im besten Falle ein kaltherziger Polizist und im schlimmsten Falle die Ursache aller unserer Übel ist.

Schülerzeichnung einer griechischen Schulklasse zur europäischen Identität. Dazu der Kommentar (im Original auf franz.):
Chaque peuple européen doit conserver son identité particulière (nationale-historique-religieuse) et, en même temps, il doit travailler avec conscience pour l'avenir de l'Europe et de notre planète en général. Pour finir, dans notre esprit et dans nos pensées, l'Europe est le berceau dans lequel nous pouvons affronter notre avenir en sécurité et vivre en paix.

(Quelle: pbmedias.chez.tiscali.fr/Europe%20cyberfax/09%20europe_nous.html, inaktiv, 02.06.2006)

Bedeutet dies, dass sich nichts verändert hat, seit die europäischen Institutionen die Bedeutung von Bildung und Kultur erkannt haben?

Tatsächlich geht seit 1993 ein frischer Wind durch die Lehrpläne in Frankreich: "Europa muss unsere nationale Zukunft sein." Unsere amtlichen Texte bringen dies deutlich zum Ausdruck, um den jungen Franzosen ein Zugehörigkeitsgefühl zu ihrem neuen Vaterland zu geben. Europa soll ein historischer Gegenstand werden, verkörpert in großen historischen Impulsen wie dem griechisch-römischen Erbe, den großen Entdeckungen und dem Humanismus, der Aufklärung und den Menschenrechten oder der Moderne und der Industrialisierung. Europa, bisher als Kontrapunkt zum Unterrichtsstoff Frankreich aufgetreten, geht nunmehr diesem Stoff voraus. Eine neue Sozialkunde räumt Europa viel Raum ein. Jedoch ist dieses Europa immer noch jenes der wirtschaftlichen Ziele und der Beschäftigungspolitik; es bleibt ein Feld der Auseinandersetzung mit verschwommenen Grenzen. Nur recht wenig ist es das Europa der Vielfalt, nirgendwo ist offiziell von interkulturellem Lernen die Rede.

Links: