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'Die territorialen Grundlagen der zentralistischen Verwaltungsstrukturen'
 
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Die territorialen Grundlagen der zentralistischen Verwaltungsstrukturen

Meist versteht man unter Zentralismus, unzulässig verkürzt, allein "... eine Regierungsform, in der die lokalen Verwaltungen der vollständigen Leitung der Zentralregierung oder ihrer örtlichen Repräsentanten unterstehen: Die Beamten dieser Verwaltungen werden durch die Regierung ernannt und durch diese einer strikt hierarchischen Herrschaftsstruktur unterstellt" (Detton/Hourticq 1975, S. 4). Das Gegenteil ist Dezentralisierung, d.h. die Abtretung von Entscheidungsvollmachten an eigenständige Gebietskörperschaften, z.B. über Baugenehmigungen an die Gemeinde. Überträgt dagegen ein Ministerium z.B. an seine Außendienststellen lediglich weisungsgebundene Funktionen, nicht aber Kompetenz, so ist dies ein Akt der Dekonzentration (vgl. Lasserre et al. 1997).

Abbildung 1:

Die Gebietskörperschaften Frankreichs interaktiv

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [1]  

Als Gebietskörperschaften [2] gelten in Frankreich seit der Revolution die commune [3] , das département [4] (und das territoire d'outre-mer = TOM) sowie, seit 1982, die mehrere Departements umfassende région [5] . Den 96 départements Frankreichs (plus vier départements d'outre-mer = DOM) steht jeweils ein Präfekt [6] vor, der bis zur Dezentralisierung ab 1982 buchstäblich für alles zuständig war, bis zu Details wie dem Aufstellen von Straßenschildern! Dem Präfekten untersteht je ein Subpräfekt in den etwa 3-6 Arrondissements pro Departement. Der canton, eine Gruppierung von Gemeinden, ist lediglich eine Art Wahlkreis. Die kleinsten Einheiten bilden die 36.565 Gemeinden (1999), etwa so viele wie in allen anderen EU-Staaten zusammen. Darunter zählen über 32.000 weniger als 2000 Einw., rund 23.000 sogar unter 500. Trotz dieser Situation fand eine Gemeindereform nie statt. Sie alle wählen zwar ihre Bürgermeister selbst, haben aber - abgesehen von den eigentlichen Städten und Verbundgemeinden - wegen ihrer Kleinheit nur eine schwache Autonomie. Überhaupt sind kleine administrative Einheiten für Frankreich charakteristisch: Im Mittel hatten die Gemeinden 1999 1600 Einw., die Departements rund 610.000 Einw., und auch die Region, mit 2,7 Mio. Einw., gilt im europäischen Kontext als zu klein.

Erst mit der Dezentralisierung [7] ab 1982 erhielten die Departements eine eigene Exekutive für bestimmte Teilbereiche. Dies gilt ebenso für die 22 Regionen, die, seit den 60er Jahren zwecks organisatorischer Zusammenfassung mehrerer Departements konzipiert (Circonscriptions d'action régionale), mit demselben Gesetzeswerk schließlich zur dritten eigenständigen Gebietskörperschaft erhoben wurden. Wohlgemerkt: es handelt sich um neue Gesetze, nicht um Verfassungsänderungen.

Die Spitze der Pyramide [8] bildet bekanntlich der Staatspräsident [9] . Er erhielt in der Fünften Republik [10] mehr Macht [11] , auch wenn er diese mit der Exekutive unter dem Premierminister [12] teilen muss. Dass beide der Legislative gegenüberstehen, verstärkte auch die Zentralisierung. Die eigentliche, weil kontinuierliche Trägerin der Macht des Leitprinzips ist jedoch die "Pariser Zentralbürokratie", getragen von auf Lebenszeit berufenen Elitebeamten in den Ministerien; obwohl de iure an die wechselnden Regierungen weisungsgebunden, kontrollieren sie die Regierung de facto auf die Einhaltung der zentralistischen "Regeln" und sichern ihre Kontinuität. Allerdings scheint sich diese traditionelle Situation heute zu ändern.

Abbildung 2:

Jacques Chirac, Französischer Staatspräsident seit 1995

 

 

 

 

 

 

 

 

Internet-Quelle [13]

Seit langem ist außerdem ein weiteres zentralisierendes Element diskret in den französischen Verwaltungsapparat eingedrungen: das System der Ämterhäufung (auch wenn hier ebenfalls Veränderungen im Gange sind). Bisher hielten zahlreiche Volksvertreter in ihren Gebietskörperschaften, aber auch auf nationaler Ebene, gleichzeitig mehrere Mandate. So ist (war) ein Minister meistens auch Bürgermeister, und nicht nur in einem Marktflecken. Dieses Charakteristikum des dualen politischen Systems in Frankreich wirkt wie ein Scharnier zwischen Zentrale und Provinz: Je stärker die Position des Volksvertreters in der Provinz, desto mehr Vorteile erkämpft er in Paris für seine Hochburg (oder sich selbst). Umgekehrt macht er sich zu Hause, als Kontaktmann zum Präfekten, für die Zentrale nützlich, die so erfährt, was im "tiefen Frankreich" vor sich geht.