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'Die Instrumentalisierung des Berliner Beispiels in Paris'
 
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Die Instrumentalisierung des Berliner Beispiels in Paris

Die über Berlin erworbenen Kenntnisse haben schließlich in vielerlei Hinsicht zur Gestaltung der Pariser Politiken beigetragen. Die deutsche Hauptstadt wird zunächst als Schauplatz und als ästhetische Schablone empfunden. Wie die Überlegungen zum Geschäftsviertel gezeigt haben, wird sie eine frühzeitige Zweigstelle des amerikanischen Einflusses in der Architektur sein. In einer Stadt, in der "sich die Stilrichtungen so oft ändern wie der Hut eines Dandy"(51), ist der vorhersehbare Alterungsprozeß der Gebäude, den die Berliner Bauherren aus Amerika kennen, nur eine der von den Parisern festgestellten Besonderheiten.

Abbildung 19:

Modell der "Großen Achse" in Berlin,

konzipiert (aber nie realisiert) von Albert Speer. Typisch für nationalsozialistische Städteplanung ist die Anlegung riesiger Achsen wie hier in Nord-Süd-Richtung. Diese breiten Boulevards waren für Militärparaden geeignet, sie sollten gesäumt werden von Triumphbauten für Staat und Partei.

 

 

 

 

Internet-Quelle [1]

Auch was die Problematisierung von Städten als wirtschaftliche Gebilde und als Gesamtsystem städtischer Dienstleistungen anbelangt, gilt Berlin als Ort mit großer Erfahrung. Die technischen Lösungen und Verwaltungsmethoden bei den Verkehrsmitteln wie der S Bahn oder der U Bahn sind in Paris wohlbekannt, und auch mit dem Beispiel des in der Nähe des Zentrums gebauten Flughafen Tempelhof setzt man sich auseinander.

Mit seinen Wohnstätten für die einfachen Bevölkerungsschichten in den neuen, luftigen Siedlungen, aber auch mit den Parks, den Promenaden und den Bademöglichkeiten ist Berlin ein Vorbild an Hygiene. Zugleich nähren diese Einrichtungen das Bild einer sportlichen Metropole, die ein enges Verhältnis zu ihrem natürlichem Umfeld bewahrt hat.

Berlin wird schließlich ein Bezugspunkt für die Erneuerung der politischen Gestaltung der französischen Hauptstadt, sei es zum Beispiel die Diskussion über die Art der Volksvertretung, bei der in Paris bisher keine Veränderung möglich war, oder sei es die Debatte über die Gliederung der Stadtpolitik nach verschiedenen Ressorts.

Obwohl Albert Speer, seit 1939 Generalbauinspektor der Reichshauptstadt, zum Teil sehr enge Beziehungen zu einigen französischen Architekten unterhielt, wurde die fruchtbare Auseinandersetzung mit Berlin durch das Herannahen des Zweiten Weltkriegs weitgehend unterbrochen. Mit dem Wiederaufbau, vor allem mit der Stalinallee im Osten und der "Interbau [2] " im Westen beginnen die Untersuchungen in den fünfziger Jahren von neuem. Am Wettbewerb Hauptstadt Berlin nehmen 1958 mehrere französische Büros teil.(52) Mit der Beobachtung der Internationalen Bauausstellung 1984/87 [3]  und den Bauvorhaben der Wiedervereinigung werden neue Arten des Austausches entstehen. In diesem Rahmen werden Pariser Architekten zum ersten Mal direkt in den gestalterischen Wandel einer fernen, letztendlich jedoch vertrauten Hauptstadt eingreifen.

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Anmerkungen

(51) Aveline, 1912, zitiert in Chombard.

(52) Helmut Geisert (Hrsg.), Hauptstadt Berlin; Internationaler städtebaulicher Ideenwettbewerb 1957/1958, Berlin, Argon Verlag, 1990.