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'Wettbewerb um die Vorrangstellung in Europa und um die globale Bedeutung'
 
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Wettbewerb um die Vorrangstellung in Europa und um die globale Bedeutung

Der Schriftsteller Walter Benjamin hat Paris einmal, mit Blick auf Europa, als die Hauptstadt des 19. Jahrhunderts bezeichnet (nach v. Münchhausen, 1998, vgl. auch Willms 1988). Sollte dies so gewesen sein, so hat die Stadt seither deutlich an Boden verloren, wobei es sicherlich schwierig ist, objektiv messbare Kriterien zu definieren, die einer Hierarchisierung der Städte im Hinblick auf ihre europäische oder globale Bedeutung gerecht werden. Bei einem Vergleich europäischer Zentren mit Blick auf ihre nationale bzw. internationale Bedeutung haben Dallet et al. (1997, S. 8/9) herausgestellt, dass Paris hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Strukturen teilweise deutlich hinter anderen europäischen Metropolen rangiert.

Zahl bedeutender internationaler Kongresse in europäischen Metropolen*                                                                                                                                                                    

Stadt 19541965197519851995
Paris111140142274332
Wien196858127200
London4697141238192
Brüssel294068219174
Genf735485212168
Amsterdam14274047110
Berlin619419493
Kopenhagen1442487188
Rom4158919182
Madrid1117183780

* Rangfolge der Städte nach Veranstaltungszahl im Jahr 1995. Quelle: Boyer, 2001, S. 41

Umgekehrt kann die Stadt für sich beanspruchen, in einigen Bereichen eine herausragende Rolle innerhalb Europas (und der Welt) zu spielen. Boyer (2001) bezieht bei seinem Vergleich der Hauptstädte Europas z. B. das Kriterium der internationalen Veranstaltungen, etwa von Kongressen, mit ein, was Paris einen Spitzenplatz beschert. Aber ein solcher Vergleich, ohnehin nur ein winziges Mosaiksteinchen bei der Bewertung von Internationalität oder Globalität, setzt klare Definitionen und Messskalen voraus, die es nicht gibt. Rozenblat & Cicille (2003) verfolgen in ihrer Analyse von 180 europäischen Metropolen (über 200.000 Ew.) einen ähnlichen Ansatz, der sich in einer Reihe interessanter Karten niederschlägt. So nimmt z. B. bei Verwendung des Kriteriums der Herausgeberschaft wissenschaftlicher Zeitschriften Paris mit 189 Titeln nur den fünften Rang ein, weit hinter Oxford (789 Titel) und London (490). Auch Coy (2003) vermeidet den Begriff der globalen Stadt und verweist vielmehr auf die eher typischen Veränderungsprozesse der Megastädte des Nordens i. S. der Verlagerung der Dynamik des Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums, die in diesem Beitrag an den Beispielen Val d'Europe und La Défense dokumentiert wird.

Man kann somit Brücher (1997, S. 10) zustimmen hinsichtlich seiner eher zurückhaltenden Bewertung der Vorrangstellung von Paris, die er zwar innerhalb des eigenen Landes nicht gefährdet sieht, in den Grenzen eines neuen Europa aber eher in Frage stellt. Das stimmt auch mit der Bewertung aller einschlägigen Rangfolgen überein, die im Verlauf der letzten Jahren erarbeitet und die einleitend zu diesem Beitrag vorgestellt wurden [1]

Vor dem Hintergrund all dieser Bewertungen fällt es schwer, Paris unter den globalen Städten dieser Welt einen attraktiveren Rang zuzubilligen, auch wenn dies der subjektiven Selbsteinschätzung der Franzosen nicht unbedingt entsprechen mag. Sie mögen sich damit trösten, dass die Stadt gleichermaßen eine Art Welthauptstadt der "haute culture [2] ", der "haute philosophie", der "vie élégante" und vieler anderer mondäner Attribute ist (Lindner 2003). In dieser Hinsicht ist ihr der Spitzenplatz auf absehbare Zeit wohl kaum streitig zu machen.