French
German
 
Seite zur Sammlung hinzufügen
'Grenzüberschreitender Arbeitsmarkt '
 
1 Seite(n) in der Sammlung
 
 
 
 
 

Grenzüberschreitender Arbeitsmarkt

Wie in vielen anderen Grenzregionen auch, führen unterschiedliche Arbeitsplatzangebote, Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten zu ungleichgewichtigen grenzüberschreitenden Pendlerbeziehungen (s. auch Beitrag Pletsch [1] ). In der Regel handelt es sich hier um kleinräumige, tägliche Bewegungen, die auch als Grenzgängertum bezeichnet werden. Unter diesen Begriff fallen aber streng genommen auch Ausbildungspendler, Einkaufspendler etc. Abbildung 4 zeigt eine Karte der täglichen Pendelströme der Beschäftigten in der Großregion Saar-Lor-Lux [2] . Mit rd. 46.300 Einpendlern aus Lothringen ist der Arbeitsmarkt des Großherzogtums Luxemburg eindeutig bevorzugtes Ziel, gefolgt vom Saarland, das derzeit täglich rd. 24.600 lothringische Grenzpendler anzieht (Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz 2001, Cocher 1999; Cocher/van Gheluwe 2001). Berücksichtigt sind hierbei nur sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, hinzu kommen Freiberufler und Geringverdienende, etwa im Reinigungsgewerbe und der Gastronomie. Demgegenüber suchen nur ca. 1.000 Saarländerinnen und Saarländer einen Arbeitsplatz in Lothringen auf (ebd.; weitere Statistiken zur Großregion [3] , Saarland [4]  und Lothringen [5] ).

Abbildung 4:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine kleinräumigere Betrachtung zeigt, dass der überwiegende Teil der lothringischen Grenzpendler im unmittelbaren Grenzsaum zu Luxemburg und dem Saarland lebt (Abb. 5). Dabei handelt es sich gleichzeitig um die beiden Bergbaureviere (lothringisches Kohlebecken und Eisenerzrevier), die am stärksten vom wirtschaftlichen Strukturwandel in Lothringen geprägt sind. Mehr als 60 % der in das Saarland pendelnden Personen haben ihren Arbeitsplatz im Stadtverband Saarbrücken, der auch das Gros der saarländischen Arbeitsplätze insgesamt stellt (Abb. 6).

Abbildung 5:

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 6:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Grob lassen sich vier Kategorien von lothringischen Grenzpendlern unterscheiden: 

  •  Industriearbeiter, die v.a. in Großunternehmen, wie dem z.B. Fordwerk Saarlouis oder den Michelin-Reifenwerk in Homburg/Saar und ZF Getriebe in Saarbrücken beschäftigt sind
  •  gering qualifizierte, meist weibliche Arbeitskräfte im Niedriglohnsegment, etwa im Bereich der Gebäudereinigung;
  •  zweisprachige Angestellte im höherwertigen Dienstleistungssegment, die deutsche und französische Kunden bzw. Partner betreuen (Banken, Unternehmensdienstleistungen, öffentliche Verwaltung etc.), zahlenmäßig jedoch wenig ins Gewicht fallen und
  •  die bereits erwähnten Deutschen, die in Lothringen wohnen, die allein für das aktuelle Wachstum der Pendlerzahlen von Lothringen in das Saarland verantwortlich sind.

Insbesondere im Bereich der Industrie führen mangelnde Deutschkenntnisse der lothringischen Grenzpendler nicht selten zu Integrationsproblemen am Arbeitsplatz bzw. zur Entstehung französischer "Inseln". Derartige Abgrenzungen von den deutschen Kolleginnen und Kollegen gehen oft einher mit einer Personalpolitik, die französische Arbeitnehmer/-innen tendenziell benachteiligt, etwa bei Schichtzuweisungen, Beförderungen, Entlassungen. Die potenziell integrative Wirkung der Präsenz grenzüberschreitender Arbeitspendler ist somit, insbesondere in den Großunternehmen mit einer ausreichend großen lothringischen "Gruppe", zu relativieren. Private Kontakte zwischen lothringischen und saarländischen Industriearbeitern etwa sind die große Ausnahme (vgl. Kilp 1998). Eine weitere Benachteiligung erfahren deutsche und französische Grenzgänger dadurch, dass sie sowohl am Arbeitsort, als auch an ihrem Wohnort Sozialabgaben zu entrichten haben. Zwar ermöglicht es ein so genanntes "Doppelbesteuerungsabkommen" zwischen Frankreich und Deutschland, die Lohn- oder Einkommenssteuer wahlweise in einem der beiden Länder zu entrichten. Zahlungen in die Rentenkasse, Arbeitslosenversicherung etc. jedoch werden weiterhin parallel erhoben (Weth 1998).

Ein indirektes Problem der großen Grenzpendlerzahl zeigt sich in der Verkehrsentwicklung. In Ermangelung effizienter grenzüberschreitender ÖPNV-Verbindungen benutzen derzeit 99% der Grenzpendler/-innen private Kraftfahrzeuge, um zum Arbeitsplatz zu gelangen. Zwar sind deutliche Verbesserungen im ÖPNV erreicht worden (etwa der sog. tram-train [6] (Saarbahn), eine (Straßen-)Bahn-Linie von Saarbrücken nach Sarreguemines oder die Schnellbusverbindung Saarbrücken-Forbach), Nutznießer ist jedoch fast ausschließlich die trassennah wohnende Bevölkerung.