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'Die Boulevardpresse in Deutschland: Die BILD-Zeitung'
 
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Die Boulevardpresse in Deutschland: Die BILD-Zeitung

Selbstredend besitzt BILD die Monopolstellung unter den populären Massenblättern in Deutschland. Mit ihren 23 Lokalausgaben (55) und einer Auflage von über 4 Millionen Exemplaren (56) beherrscht diese Zeitung den Markt und ist die einzige echte bundesweite Zeitung in Deutschland (57).

Abbildung 7:

Die Titelseite der BILD vom 18. April 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

In Deutschland hat Axel Springer 1952 in Hamburg das Genre der Boulevardpresse auf den Markt gebracht, indem er das englische Modell des DAILY MIRROR kopierte. Verschiedene Zeitungsverleger folgten seinem Beispiel: EXPRESS in Köln und Düsseldorf, ABENDZEITUNG und TZ in München, HAMBURGER MORGENPOST in Hamburg (58). Der Springer-Konzern - dessen Leiter im Jahr 1985 verstarb - kontrollierte 1998 BILD, HAMBURGER ABENDBLATT, DIE WELT, LEIPZIGER VOLKSZEITUNG, BZ, BERLINER MORGENPOST und 10 andere Tageszeitungen, d. h. 23,7% des Tageszeitungsmarktes in Deutschland (Anteil an der Boulevardpresse davon: 80,5%) (59).

Auf der Titelseite befinden sich viele Bilder und wenig Text, wie der Name "BILD" bereits anzeigt. Man erwartet kein hohes Bildungsniveau der Leser. Der Artikel "Wir vom Bau haben die besseren Luder" (60) (siehe Abb. 7) zeigt deutlich, für welche gesellschaftlichen Gruppen dieses populäre Massenblatt produziert wird. Die Kopfleiste der Titelseite vom 18. April 2001 ist riesig und enthält den Aufmacher sowie eine Werbung. Betrachtet man die obere Hälfte der Titelseite "über dem Knick", stellt man fest, dass sich der Zeitungstitel eher links unten befindet statt wie bei den meisten seriösen Zeitungen oben auf der Seite.

Prüfen wir Inhalte und Sprache: Die Schlagzeile "Killer-Pärchen gefasst" (61) enthält ein klares Urteil. Möglicherweise sind die beiden Personen nicht verurteilt worden, aber BILD stellt sie so dar, als sei dies der Fall. Außerdem enthält die Beschreibung "Killer-Pärchen" eine stark negative Konnotation. BILD produziert also Meinungen, anstatt es dem Leser zu überlassen, eine persönliche Meinung zu bilden. Seit der Affäre um Günter Wallraff, der unter einem Decknamen als Journalist bei BILD gearbeitet und danach die dort angewandten Praktiken beschrieben hat, ist allgemein bekannt, dass die Zeitung manchmal die Wahrheit unterschlägt, indem sie Bilder und Artikel manipuliert, um auf der Titelseite einen Sensationsartikel zu präsentieren und so die Auflage zu steigern. Fest steht, dass die auf der Titelseite vom 18. April 2001 behandelten Themen nicht mit detaillierten Analysen aktueller Themen zu vergleichen sind, wie sie seriösen Zeitungen bieten. Es handelt sich vielmehr, um "private" Informationen über Personen, die in bestimmte Ereignisse verwickelt sind.

Visualisierung (die schon der Titel BILD verspricht), Personifizierung, narrativer Stil: Hierin besteht die berühmte "Lesernähe". Der Chefredakteur von BILD meint, das Erfolgsrezept der Zeitung ist "Infotainment": Man präsentiert das, was das Publikum lesen möchte. Weiterhin behauptet die Zeitung von sich, informativ zu sein, aber das ist im Allgemeinen nur ein Eindruck, die Leser werden dort nicht wirklich informiert. Trotz des ersten Eindrucks, den man gewinnen könnte, wenn man einige dicke Überschriften auf der Titelseite von BILD betrachtet, die eine sehr große Nähe zum mündlichen Sprachcode anzeigen, liegen die Dinge nicht so einfach. In ihren Texten benutzt BILD häufig das Präteritum - sogar weniger gebräuchlicher Verben, was ein Kriterium des schriftlichen Sprachcodes ist. BILD-Journalisten halten die Regeln der indirekten Rede im Allgemeinen ein und verwenden korrekte Konjunktivformen.


Ein weiterer, sehr deutlicher Hinweis auf den Sprachcode liefert die Tatsache, dass in den Texten der BILD häufig der Genitiv verwendet wird, sogar auf der Titelseite. Eigentlich liegt die Sprachebene also eher in der Mitte des Kontinuums mündlicher Code - schriftlicher Code: Durch ihr Vokabular ist sie dem Mündlichen nahe, aber zugleich stimmt sie durch ihre Grammatik mit dem Schriftlichen überein, wenn man allerdings von der nahezu omnipräsenten Parataxe [1]  absieht, die so überaus eingängig ist … (62)

Es muss noch darauf hingewiesen werden, dass sich BILD als "Anwalt" des Volkes darstellt, leicht erkennbar beispielsweise in dem Artikel "Mallorca-Steuer: Majestät, stoppen Sie diesen Unsinn" (63). Die Redaktion gibt vor, die Interessen ihrer Leser gegenüber den Politikern und Politikerinnen zu verteidigen. Die vorausgegangenen Ausführungen zeigen deutlich, dass BILD die Sensationslust der Deutschen befriedigt (64) , weil diese Tageszeitung in der Lage ist, alle Welt offen zu kritisieren, da sie keine staatlichen Subventionen erhält (65).

Zuletzt muss unbedingt festgehalten werden, dass die Boulevardpresse in Deutschland einen Auflagenrückgang verzeichnet. Im Jahr 1984, als in Deutschland die ersten privaten Fernsehsender ihren Betrieb aufnahmen, verkaufte BILD noch 5,257 Millionen Exemplare, während es 1999 nur noch 4,409 Millionen waren (16 % Rückgang). Nachdem die Zeitung im Juni 2002 ihr 50jähriges Bestehen gefeiert hatte, fiel die Auflage - zum ersten Mal seit 28 Jahren - unter die Schwelle von 4 Millionen (66). Die anderen populären Massenblätter hatten im Straßenverkauf einen noch größeren Rückgang zu verzeichnen, beispielsweise EXPRESS und HAMBURGER MORGENPOST. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: die Wirtschaftskraft des Landes hat nachgelassen, die Bevölkerung verfügt über weniger Geld, das Privatfernsehen sendet praktisch ununterbrochen populäre Sendungen und die großen regionalen Zeitungen widmen den populären Themen mehr Raum und publizieren mehr Artikel in dieser Sparte. (67) Auch sie haben sich ihren Lesern angenähert.

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Anmerkungen

(55) Déjà depuis 1990. 

(56) Voir fig. 4.

(57) Cf. fig. 7, en bas à gauche: "Bild steigert Auflage um 41.085 Exemplare". (Traduction: Bild augmente son tirage/ sa diffusion de 41.085 exemplaires.) La dernière phrase de cette brève démontre bien la proximité aux lecteurs: La rédaction remercie son lectorat pour leur fidélité. Pour l'histoire de BILD, voir Wilke 1999,93, 124 et 638.

(58) Cf. Albert/ Koch 2000, 54 s.

(59) Cf. Albert/ Koch 2000, 94 s.

(60) Traduction: " Nous qui travaillons sur des chantiers, on a les meilleures bougresses ". Notez ici le langage vulgaire et l'emploi des expressions du code oral à l'écrit.

(61) Traduction: "Couple meurtrier arrêté".

(62) Pour plus de détails sur le langage des titres et des textes de BILD, voir l'étude de Mittelberg 1967, véritable travail de pionnier, puis les thèses de Büscher 1996, Voss 1999, Schirmer 2001 et, du point de vue de la linguistique des variations, la contribution de Grosse contenue dans la partie initiale du livre de Gorsse/Seibold 2003, p. 15-40.

(63) Traduction: "Taxes à Majorque: Majesté, arrêtez cette idiotie!" Remarquez ici encore une fois l'emploi du langage familier "Unsinn" à l'écrit (il n'y a pas de mot populaire correspondant en français). A noter égaIement: On s'adresse directement au roi d'Espagne.

(64) Die Woche, 12/3/1999; Rheinischer Merkur, 31/7/1992.

(65) La seule restriction à ce propos est le fuit qu'en 1985 à la mort d'Axel Springer, le groupe Springer a cédé des participations au groupe Kirch (supporté par la CSU et supportant la CDU/ CSU). Dans le quotidien BILD, on ne trouvait donc pas de critique ouverte des activités du groupe Kirch (qui a fait faillite en 2002).

(66) 3,952 millions au quatrième trimestre 2002 (FinanciaI Times Deutschland, 13/1/2003, 3). - Voir aussi l'article du Monde du 26/6/2002, 18, consacré aux 50 ans de BILD.

(67) Cf. Bahrmann 1999, 15.