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'Elsässer im Krieg'
 
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Elsässer im Krieg

Glücklicherweise verfügen wir über eine Reihe von Selbstzeugnissen, die von Elsässer Bürgern in den Jahren 1914-1918 abgefasst wurden. Sie lassen erkennen, dass zum Zeitpunkt, da die Elsässer gegen Frankreich in den Krieg ziehen mussten, das Elsass noch keineswegs in das Deutsche Reich integriert worden war, die Elsässer sich dem deutschen Vaterland nicht sonderlich verbunden fühlten, auch wenn es einige deutschfreundliche Stimmen gab, die sich zu Beginn des Krieges überaus deutschpatriotisch [1] äußerten. Oft ließen Elsässer und Lothringer erkennen, dass sie sich nicht als deutsche Patrioten fühlten, was dazu führte, dass sie in der Armee ganz allgemein und besonders an der Front oft unter mannigfachen Diskriminierungen und Benachteiligungen zu leiden hatten. Möglicherweise wirkte die sog. Zabern-Affäre vom Oktober 1913 noch nach.

Es lässt sich feststellen, dass die schlechte Behandlung der Elsässer und übrigens auch der Lothringer deren Identifikation mit der deutschen Sache nicht gerade förderlich gewesen ist. Überdies lassen die Selbstzeugnisse erkennen, dass die Soldaten aus dem Elsass weit weniger als die reichsdeutschen Soldaten das verordnete Feindbild, vor allem soweit es sich auf Frankreich bezieht, verinnerlicht hatten. Auch dem erwünschten Nationalismus gegenüber verhielten sich viele Elsässer eher ablehnend, wobei diese Ablehnung weniger von einem abstrakten Kosmopolitismus oder Internationalismus, auch nicht von einem intellektualistischen Humanismus herrührte, sondern vielmehr offensichtlich von der spezifisch elsässischen Sozialisation bestimmt war, die wegen der besonderen Lage des Elsass und seiner besonderen Geschichte zwischen Frankreich und Deutschland weniger auf Ausbildung einer dezidiert nationalistischen Haltung ausgerichtet war als im Kernland Deutschland (wie auch im Kernland Frankreich).

 

 

 

 

Quelle: Das Volk in Eisen. Kriegsgedichte der täglichen Rundschau, Berlin 1914, S. 46f.

Diese verbreitete Skepsis gegenüber nationalistischen Parolen hat viele Elsässer von Beginn an den Sinn des Krieges bezweifeln lassen und sie in der Überzeugung bestärkt, dass die Verbreiter nationalistischer Hetzparolen eine wesentliche Verantwortung für den Krieg trugen, dessen Hauptleidtragende das einfache Volk sei. Die Vorstellung, dass der Krieg sinnvoll sein könnte und dass daher für diesen höheren Zweck Opfer erbracht werden müssten, ist im Elsass und in Lothringen weniger verbreitet als im Reich, zumal in den preußischen Reichsteilen. Da man die elsässischen Soldaten für politisch unzuverlässig hielt, wurden sie bevorzugt an der Ost- und Südostfront eingesetzt, weil man befürchtete, sie könnten bei einem Einsatz an der Westfront eine günstige Gelegenheit nutzen und zum Feind überlaufen.

Jene Elsässer, die bereits vor dem Krieg die Einverleibung des Elsass in das Deutsche Reich kritisiert hatten und dafür nicht selten mit Geld- und Haftstrafen belegt worden waren, haben auch zu Beginn und während des Krieges ihre antideutsche Agitation fortgesetzt. Am bekanntesten sind die Zeichnungen von Hansi [2] (d.i. Jean Jacques Waltz, *Colmar 1873 + Colmar 1951), der sich 1914 freiwillig zum Dienst in der französischen Armee gemeldet hatte.

Da die Elsässer (und Lothringer) davon ausgehen konnten, in jedem Fall zu den „Siegern" des Krieges zu gehören, demonstrierten sie hinsichtlich des Kriegsausgangs eine gewisse Gleichgültigkeit. Diese Haltung, die sich nicht erst im Laufe des Krieges entwickelte, sondern bei vielen Elsässern und Lothringern latent bereits bei Kriegsbeginn feststellbar war, hatte sicherlich auch Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Gegners. Aus naheliegenden Gründen konnten sie in den französischen Soldaten, die auf der anderen Seite der Front ihren Dienst taten, nicht den verhassten „Erbfeind" sehen, der vernichtet werden sollte. Vielmehr war der Poilu derselbe arme Teufel, der auch sie selbst waren, beide Opfer des Chauvinismus und Militarismus. Im allgemeinen traute der Elsässer den Franzosen die Gräueltaten nicht zu, die von der deutschen Propaganda verbreitet wurden.

Quelle: Zeyons a.a.O., S.16

Von deutscher Seite hat es zahlreiche Versuche gegeben, die Verbundenheit von Elsass und Lothringen mit dem Deutschen Reich als festgefügt und als natürlich darzustellen. Frankreich habe sich in der Zeit, als die beiden Territorien zum französischen Staat gehörten, wenig um sie gekümmert. Deutschland hingegen habe sich in ganz besonderem Maße die Förderung der „Reichslande Elsaß-Lothringen" angelegen sein lassen. Bei einer Abstimmung [3] würden daher heute auch mindestens 80% für Deutschland optieren.

Der Elsässische Bauer Dominik Richert in seinen Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg über die Kriegsbegeisterung bei Kriegsbeginn im Jahr 1914:
„Mir war es absolut nicht ums Singen, denn sofort dachte ich, dass man im Kriege nichts so gut wie totgeschossen werden kann. [...] Meine Vaterlandsliebe war nicht so groß und der Gedanke, den sogenannten Heldentod zu sterben, erfüllte mich mit Grauen.[...] Ich glaube nicht, dass einer an das Vaterland oder an sonstigen patriotischen Schwindel dachte. Die Sorge um das eigene Leben drängte alles andere in den Hintergrund."
Aus: Dominik Richert: Beste Gelegenheit zum Sterben. Meine Erlebnisse im Kriege 1914-1918, hrsg. v. Angelika Tramitz und Bernd Ulrich, München 1989, S. 15f., 25.

Die Elsässer und der Kriegsausgang - Äußerung des Elsässers Dominik Richert zu einem Leutnant im Jahr 1917, der ihn wegen mangelnder Siegeszuversicht getadelt hatte:
„Gewinnt Deutschland, bleibt das Elsaß deutsch, und wir befinden uns bei den Siegern. Gewinnen die Franzosen, dann wird das Elsaß französisch und wir befinden uns wieder bei den Siegern!"
Aus: Richert a.a.O., S. 337.