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'Das Feindbild der Deutschen - Das Feindbild der Franzosen'
 
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Das Feindbild der Deutschen/ Das Feindbild der Franzosen

Dieser thematische Komplex ist sicherlich von zentraler Bedeutung, auch wenn es uns heute schwer fällt, das damals diesseits und jenseits der deutsch-französischen Grenze existierende Feindbild zu begreifen. Im Ersten Weltkrieg und noch viele Jahre später beherrschten und belasteten die Feindbilder die deutsch-französischen Beziehungen. Sie verschwanden in der Zeit nach 1945 nicht als Folge einer bewussten Entscheidung einzelner, auch wenn Adenauer und de Gaulle die Grundlage für ein Verschwinden der Feindbilder mit bereitet haben. Vielmehr war es der Wille der Gesellschaften Frankreichs und Deutschlands, das alte Feindbild abzulegen; Erziehungs- und Kulturprogramme haben diesen Vorgang gestützt.

Die Behandlung der Feindbilder im Unterricht

Zu Beginn der Erörterung dieses Themas muss eine Klärung erfolgen: Man muss sich bei der Behandlung von aktuellen oder historischen Feindbildern davor hüten vorzugeben, das objektiv richtige Gegenbild der Feindbilder, also jenes, das die Wirklichkeit nicht verzerre, zu kennen und den Schülerinnen und Schülern zur Übernahme zu empfehlen. Abgesehen davon, dass Schülerinnen und Schüler im allgemeinen derartige meist stark moralisierend vorgetragene Appelle nicht schätzen und auch zur Übernahme solcher "Empfehlungen" nicht bereit sind, erscheint es sinnvoller, in der Vergangenheit existierende Feindbilder in ihrer ganzen hasserfüllten Scheußlichkeit vorzustellen und darauf zu vertrauen, dass die Schüler bei einer angemessenen unterrichtlichen Beschäftigung mit solchen Feindbildern, nach Aufarbeitung der Ursachen für die Entstehung solcher Feindbilder, nach der Absicht, die mit ihnen verfolgt wird, und nach Feststellung ihrer nachweisbaren Wirkung auf die Bevölkerungen usw. ganz von sich aus die Inhumanität solcher Feindbilder erkennen und die richtigen Schlüsse für ihre eigene Haltung ziehen.

Feindbilder steuern das Verhalten der Menschen. Sie sind ihnen jedoch nicht angeborenen, sondern sie werden gemacht und, wie sich an vielen Beispielen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zeigen lässt, gezielt verbreitet. Bei der Frage nach der Entstehung der vor und im Ersten Weltkrieg zwischen Deutschland und Frankreich existierenden Feindbilder wird man auf die auch heute noch immer gültigen pädagogischen Überlegungen von Aenne Ostermann und Hans Niklas zurückgreifen. Ihnen zufolge sind eine wesentliche Grundlage für die Ausbildung von Feindbildern Vorurteile und Stereotype als eine negative Einschätzung von Personen oder Kollektiven wie z.B. Nationen. Diese Feindbilder lassen sich selbst dann nur schwer korrigieren oder ganz beseitigen, wenn persönliche Erfahrungen gemacht werden, die dem vorhandenen Feindbild widersprechen. "Im Feindbild sind eine Reihe negativer Vorurteile gebündelt, die gleichsam einen Zwang zur Vereinheitlichung gehorchen und eine differenzierte Beurteilung dessen, der mit dem Etikett Feind oder Freund versehen wird, unmöglich machen." Eine angemessene Wahrnehmung der Wirklichkeit wird dadurch unmöglich gemacht. Die aktuelle Kriegserfahrung hat darüber hinaus noch dazu beigetragen, dass sich die Feindbilder verstärkten.

Wie sich an den ausgewählten Dokumenten zeigen lässt, gehören zum Feindbild Aspekte wie Misstrauen, (kulturelle) Überheblichkeit, Schuldzuweisung, negative Antizipation, Verknüpfung "harmloser" Tatsachen mit dem funktionierenden Feindbild, Identifikation des anderen mit dem Bösen, Vorwurf der Kulturlosigkeit u.a.

 

Sämtliche präsentierten Abbildungen stammen aus der Sammlung G. Schneider.

Auch wenn das Feindbild vom "Erbfeind" Frankreich auch schon 1870/71 existierte, so stellte doch erst der Erste Weltkrieg einen Höhepunkt in der Geschichte dieses Feindbildes dar. Gleichzeitig wurden die Feindbilder [1] vom "perfiden Albion", das vom schnöden Krämergeist beseelt sei, vom unterentwickelten, schmutzigen, trunksüchtigen und gewalttätigen Russen und vom verräterischen, seinen Treueschwur brechenden Italiener propagiert.

Überhaupt kann man den Ersten Weltkrieg auch als einen Krieg der Feindbilder bezeichnen. Die Feinde werden lächerlich gemacht, sie sind militärisch harmlos und den deutschen Truppen bzw. dem deutschen Michel hinsichtlich ihrer Tapferkeit und ihrer Ausrüstung hoffnungslos unterlegen. Im übrigen habe das friedliche Deutschland den Krieg nicht gewollt; vielmehr hätten die jetzigen Feinde den Deutschen deren (wirtschaftlichen) Erfolg geneidet. Auch von französischer Seite aus wurden im Laufe des Krieges traditionell vorhandene Vorurteile gegenüber "den Deutschen", den "Boches [2] ", wiederbelebt und von der Bevölkerung, wie es scheint, gerne aufgegriffen. Dies erstaunt um so mehr, als seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und auch noch in der unmittelbaren Vorkriegszeit sich eine im Vergleich zur Vergangenheit größere Aufnahmebereitschaft der französischen Nation für deutsche Kultur feststellen lässt. Französische Intellektuelle rezipierten die deutsche Philosophie (z.B. Nietzsche) und die deutsche Klassik; ferner ist eine gewisse Bewunderung für den deutschen Wirtschaftsaufschwung und für die Erfindungen und Entdeckungen deutscher Naturwissenschaftlicher unübersehbar. Auf dem Feld der internationalen Arbeiterbewegung kommt es in derselben Zeit nicht nur zu zahlreichen Zusammentreffen und zu Hilfsaktionen, sondern auch zu wiederholten Bekundungen, den Hass zwischen den beiden Völkern abbauen zu helfen, um endlich zu einer Verständigung zu gelangen. All dies hat nicht verhindert, dass mit Beginn des Krieges die Feindbilder in beiden Gesellschaften offensichtlich schnell und widerstandslos Verbreitung fanden. Nur ganz selten erhoben sich Stimmen gegen diese Tendenz, den feindlichen Nachbarn in Bausch und Bogen zu verdammen.

Selbstbild und Fremdbild:"Der geistige und sittliche Niedergang Frankreichs 1870-1915"

- Auszug aus einem Artikel einer nationalliberalen Zeitung (1915)

"[...] Die kühnste deutsche Phantasie kann sich nicht die unflätige Gemeinheit ausdeuten, die sich in den großen Blättern, den Reden von Staatsmännern, Gelehrten, Schöngeistern, den Theaterstücken berühmter, mehr oder weniger «unsterblicher» Dichter drüben breit macht. Nur im stinkenden Rinnstein fühlen sich anscheinend Frankreichs Intellektuelle noch wohl. Die Niedertracht und die ohnmächtig geifernde Schimpfwut werden nur noch durch die grenzenlose unheilbare Dummheit übertroffen, die sich in allen diesen Geisteserzeugnissen kund tut. Die Franzosen berufen sich so gern auf den Satz Goethes: "Wie hätte ich eine Nation hassen können, die zu den kultiviertesten der Erde gehört, und der ich einen so großen Teil meiner eigenen Bildung verdanke?"

Derselbe Goethe sagt aber gleich hinterher, dass der Nationalhaß auf den untersten Stufen der Kultur am heftigsten und stärksten sei; er würde also heute die Franzosen auf die allerunterste Stufe der Kultur verweisen, denn ein solcher Ausbruch von wirrsinnigem Nationalhaß ist überhaupt noch gar nicht dagewesen, und es ist kaum ein Trost, wenn wir uns sagen müssen, dass diese ganze Raserei nur durch die Lügen der Havas- und Reuteragentur und die rohe und ebenso verlogene der poincaristischen Minister und Regierungsblätter verursacht ist und weiter erhalten wird. Nur ein Volk, das von allen guten Geister und allem guten Empfinden verlassen ist, kann sich so von feilen Strebern und verbrecherischen Demagogen an der Nase herumführen und ins Unglück stürzen lassen. [...] Wie hoch standen noch vor vierundvierzig Jahren die geistigen Führer Frankreichs über den heutigen Akademikern Poincaré, Ribot, Cochin, Barrès, Bozin, Bergson, Boutroux, Lavedan, Prévost, Rostand, Richepin. Den Briefwechsel zwischen David Friedrich Strauß und Ernest Renan [...] liest man fast mit Wehmut. Nur Schmerz über das Schicksal, das die beiden Nationen auseinanderreißt, empfindet der Franzose; seine Bewunderung deutscher Geistesarbeit bleibt unberührt."

Später hat Renan freilich in einer Akademierede den heimatlichen Chauvinisten stark nachgegeben. Doch fühlte er, dass er zu weit gegangen war, und in einem «Brief an einen deutschen Freund» hat er manches zurückgenommen oder mildernd erläutert. [...] Renan hofft da, dass «wir eines Tages aufs neue Mitarbeiter werden im Streben nach all dem, was dem Leben Anmut, Heiterkeit, Glück verleiht». Aehnlich wie Renan waren auch die Taine, Michelet, Quinet usw. schmerzlich erregt durch den Zusammenbruch aller deutsch-französischen Verständigungshoffnungen. Aber nicht einer von diesen Denkern erniedrigte sich zur Gassenjungensprache, in der sich heute Frankreichs geistige Gloire gefällt. Anatole France, in dem wir einen würdigen Schüler Renans gesehen hatten, schwatzt kritiklos die Albernheiten nach, die zuerst von den «Temps»- und «Matin»-Leuten in die Welt gefaselt sind. Die französischen Hochschulen und Gelehrten-Körperschaften ergehen sich in den läppischsten Beschimpfungen Deutschlands. Die Wissenschaft wird zur Magd erniedrigt.
[...]
Es wäre heute ja auch mit Lebensgefahr in Paris verknüpft, deutsche Musik hören zu lassen. In der Belagerungszeit 1870/71 nahm kein Patriot Anstoß an dem Vortrag Beethovenscher Symphonien, die heute geächtet sind, obwohl man doch Beethoven feierlich als Belgier abgestempelt hat. Fast ohne Ausnahme haben sich die französischen Geistesgrößen dem Reigen der tollen Schimpf-Derwische angeschlossen; und bisher scheint nur e i n e r von seiner Verranntheit in etwas zurückgekommen zu sein: Romain Rolland. Ein Zeichen der Gesundung des französischen Volkes vermögen wir aber noch nicht darin zu erblicken, wenn dieser eine Romanschreiber nachträglich seine ganz ungerechtfertigten Anklagen etwas abschwächt. [...]

Bei Kriegsbeginn herrschte bei uns noch eine merkwürdige Voreingenommenheit zugunsten Frankreichs, in dem wir einen von idealistischen Beweggründen geleiteten Feind achteten. Das Bild hat sich nach und nach durch Frankreichs Gebaren vollständig verschoben. In Gehässigkeit wetteifern unsere Gegner untereinander, und gewiß sind England und Rußland weit gefährlicher als Frankreich. Aber bei den Engländern und Russen ist doch wenigstens hier und da eine Stimme zu hören, die auf eine spätere ruhige Aussprache gewisse schwache Hoffnungen setzen läßt. In Frankreich nichts von alledem. Frankreich hat eine so anwidernde Niedrigkeit der Gesinnung an den Tag gelegt, dass alle Hoffnung auf eine ferne Möglichkeit der Verständigung ausgeschlossen ist. Wir werden mit dem alten Pufendorf von 1689 sagen müssen: «Wer es mit Frankreich hält, ist ein offenbarer Verräter an seiner Nation»."

Aus: Hannoverscher Kurier Nr. 31809 v. 4. 6. 1915

"Les cadavres boches sentent plus mauvais que ceux des Français" (Le Matin)

Le Professeur Bérillon nous dit pourquoi:

"L'Allemand dégage une odeur spécifique, fétide, nauséabonde imprégnante et persistante, la bromidrose. Le coefficient urotoxique est chez les Allemands au moins un quart plus élevé que chez les Français. Cela veut dire que s'il faut 45 centimètres cubes d'urine française pour tuer un kilogramme de cobaye il ne faudra que 30 centimètres cube d'urine allemande, plus toxique, pour obtenir le même résultat.. La principale particularité organique de l'Allemand actuel c'est qu'il est impuissant à éliminer par sa fonction rénale surmenée, tous les éléments uriques; il doit donc y ajouter la sudation plantaire, cette conception peut s'exprimer en disant que l'Allemand urine par les pieds... "

Professeur Bérillon de l'École de Psychologie. Conférence à la Société de Médecine sur le thème: "Comment pourrait-on s'entendre un jour avec un peuple qui sent mauvais?"

Serge Zeyons: Le roman-photo de la Grande Guerre, Paris 1976, S. 33

"Französische Zollernschmähungen"
Auszug aus einem Artikel in einer nationalliberalen Zeitung (1915)

Wenn man sich eine Vorstellung machen will von der bodenlosen Gemeinheit französischen Denkens und Fühlens in dieser Kriegszeit, lese man, was die "vornehmsten" französischen Zeitungen und die geistvollsten und gelehrtesten Schriftsteller Frankreichs über die Hohenzollern für einen Schmutz zusammenschreiben. Niemand verlangt von unseren Feinden Liebe für das preußische Herrscherhaus, und wir können uns sehr wohl Männer denken, die aus dem einen oder anderen Grunde in ehrlicher Ueberzeugung ihre Stimme gegen die verschiedenen Träger des brandenburgischen Kurhutes, der preußischen Königs- und der deutschen Kaiserkrone erheben zu müssen glauben. Politische Gegnerschaft und geschichtliche Kritik haben aber nichts zu tun mit den ekelerregenden Schimpfereien, die jetzt tagtäglich in Frankreich hingesudelt und mit niedrigem Behagen verschlungen werden.

Aus: Sammlung G. Schneider

So hat - um nur ein paar Beispiele zu nennen - im "Correspondent" (einer der besten französischen Monatsschriften) Professor Revillied, der zurzeit die Genfer Universität ziert, einen eingehende "wissenschaftliche" Studie über den Größenwahnsinn des deutschen Herrschers veröffentlicht, in der unter anderem Unsinn auch erzählt war, der Kaiser fahre über die französischen Schlachtfelder in einem Automobil spazieren, an dem eine weithin sichtbare Aufschrift befestigt sei "Wilhelm II., Kaiser der Welt". Der als Anthropologe und Psychopathologe hochgeschätzte Doktor Cabanès hat ein ganzes Buch (mit zahlreichen Bildern) herausgegeben "Folie d'empereur - une dynastie de dégénérés". Dieses Machwerk ist der französischen Académie des Sciences morales vorgelegt, von dieser edlen Akademie als geistvolle Arbeit kritischer Gelehrsamkeit gepriesen und der Ehre gewürdigt worden, unter die amtlichen Veröffentlichungen dieser Akademie aufgenommen zu werden. Diese französischen Verhetzungsschreiber begnügen sich indes nicht damit, die lebenden Hohenzollern (den Kronprinzen übrigens noch weit mehr als den Kaiser) mit Kot zu bewerfen, sie wühlen auch mit ihren rohen Händen in den Grüften der Toten.

Der große Friedrich war bisher immer eine Lieblingsfigur aus der Geschichte gewesen - trotz Roßbach. Jetzt wird er aber ebenso mißhandelt, wie alle anderen Begründer deutscher Größe. Man ist weit gekommen in Frankreich seit den Tagen, da Lavisse noch dem gewaltigen Lebenswerk Friedrichs gerecht zu werden wenigstens versuchte. Heute wetteifern alle französischen Historiker in den widrigsten Schimpfereien gegen den königlichen Freund Voltaires. Nur die Zähigkeit in der Begierde und seinen unermüdlichen Schaffenseifer erkennt man an. Im übrigen war er "ein Mann ohne Gewissen, ohne Anstand, ohne Herz, ohne Treue gegen das gegebene Wort, ohne Sittlichkeit und ohne Würde!" Insofern war er allerdings ein "großer" Preuße.
[...]
Ueberhaupt soll sich Friedrich in Haß gegen alles Französische verzehrt haben (daher wohl auch Voltaire, d'Argens, La Mettrie, Maupertuis und so weiter und daher auch die Sammlung von Meisterwerken Watteaus, Lancrets, Paters usw. im Schloß von Sanssouci, die 1900 auf der Pariser Weltausstellung alle französischen Kenner zu begeisterten Huldigungen für den großen König und zu schmeichelhaftem Dank für den hochherzigen Aussteller veranlaßten). [...] Was aber über Friedrichs Liebesleben gesagt und angedeutet wird, ist so unanständig, dass es hier gar nicht wiedergegeben werden kann. Des Königs Hauptleidenschaft war nach Lenotre das Essen. "Er schlingt, beißt, nagt wie ein wildes Tier - dabei sind Hände, Mund, Wangen übergossen mit Sauce." Nie ist ihm etwas gepfeffert und gewürzt genug. Als er schon von der Gicht gepeinigt war und noch im hohen Alter, ja, am Tage seines Todes noch mästet er sich an einer Unzahl schwerverdaulicher Gerichte. Das sind alles so Entdeckungen des großen Doktor Cabanès. [...] Was kann uns Lenotre noch berichten? Friedrich hat seine Bedienten täglich braun und blau geprügelt und seine Minister mit Fußtritten bearbeitet. Die geistvolle Tafelrunde von Sanssouci war nichts als eine Zecherei von Wachtstubenmannschaften. [...] Lenotre schließt mit einer nochmaligen Ansammlung von Schimpfereien gegen die Selbstsucht, die Heuchelei, die Begehrlichkeit, die Gaunerei, die Härte des großen Königs, durch die er der wahre Begründer der Verpreußung Deutschlands geworden sei. 
Gegen allen diesen Unflätigkeiten sei nur daran erinnert, was Michelet den Verleumdern des Preußenkönigs erwiderte: "Man kann nur äußerst schwer seinen Feinden in alle dem Glauben schenken, was sie von seinen Lastern erzählt haben. Er hätte so nicht diese starke Seele und diese Nerven von Stahl behalten können." So sprach einmal ein anständiger französischer Widersacher des Hohenzollernhauses. [...]" 

Aus: Hannoverscher Kurier Nr. 31978 v. 3. 9. 1915

Aus: Sammlung G. Schneider

"Warum sind die Deutschen in Frankreich unbeliebt?" - Auszug aus einem Artikel in einer sozialdemokratischen Zeitung (1915)

"[...] Unsre Fähigkeit und unser Bestreben, uns rasch in französische Verhältnisse einzuleben, wird uns nicht als Verdienst angerechnet, sondern womöglich als ein Versuch, uns einzuschmeicheln, um desto besser die Geheimnisse des französischen Hauses und der französischen Familie auszuschnüffeln. Wir können es anstellen, wie wir wollen, man wittert in uns immer Spione, nicht nur in Politik und Militärwesen, sondern auch in Volkswirtschaft und sogar in Kunst und Wissenschaft. Man wird die deutsche Kolonie in Paris bei Kriegsausbruch auf etwa 120 000 Köpfe berechnen können. Auch in dem weit weniger argwöhnischen Berlin würden 120 000 Franzosen manchmal als unbequem empfunden werden. dass außerdem in jener Pariser deutschen Kolonie auch männliche und weibliche Schmarotzer und Uebeltäter eine Rolle spielten, ist nicht verwunderlich. Die Hunderttausende der deutschen Vergnügungsreisenden andererseits brachten viel Geld nach Paris, aber für die Pariser Luxuswelt und die Fremdenindustrie galten sie doch immer nur als zweite Garnitur. Unsre auf innere Werte gegründete Bildung läßt oft eine Nachlässigkeit im Aeußeren erlaubt erscheinen, die die Franzosen verletzt, und wenn wir uns bemühen, jene Formlosigkeit und Rauheit zu überwinden, verfallen wir leicht in den entgegengesetzten Fehler: wir machen uns durch gespreizte Unhöflichkeit und steife Umständlichkeit lächerlich. [...] Wir betonen: es handelt sich hier glücklicherweise um Ausnahmen; der Franzose macht indes (da er die Regel nicht kennt) aus diesen Ausnahmen Symbole des heutigen Deutschtums. Jenen Ausnahmen begegnen wir meist in den Kreisen junger Leute. Es gibt aber auch ältere Deutsche, die mit einem gewissen Stolz den Grundsatz vertreten, dass man mit Franzosen in ihrem eigenen Lande möglichst schroff umgehen müsse; nur so setze man sich bei ihnen durch. Demgemäß wird alles, was man in Frankreich sieht, laut getadelt: die Zeitungen, die Theater, die Verkehrsmittel, die Küche, die Polizei - die leitenden Politiker und Staatsmänner; ja auch das Militär, obwohl hier Zurückhaltung doch erste Anstandspflicht ist. Zeigt man so den Leuten seine Verachtung französischer Dinge, so wird ihre[=deren] Hochachtung für die unbekannten deutschen Einrichtungen gebührend steigen. So glauben manche Land[s]leute - aber sie irren sich. Der gebildete Franzose und die französische Familie sehen in solchen Deutschen nur einen <mal></mal>, aber nicht einen Zeugen für Deutschlands Größe. [...] Ich bin auch der Meinung, dass man mit dem französischen Volk weiter kommt, wenn man es zu verstehen und auf seine Eigenart Rücksicht zu nehmen sucht. Nun gibt es Deutsche, die durch das entgegengesetzte Mittel der Schmeichelei und kritiklosen Vergötterung alles Französischen Erfolge zu erzielen hoffen. Es sind aber nur Eintagserfolge; ein Mann von so empfindlichem Nationalbewußtsein wie der Franzose hört Lobhudeleien ganz gern - aber den Lobhudler selbst achtet er nicht hoch. Zudem bringen viele Deutsche ihre Süßigkeiten in der Art und Weise an, wie man den Kindern Zuckerplätzchen schenkt; d.h. mit einer gewissen Geringschätzung. Und dies ist der Punkt, wo der Franzose am allerreizbarsten ist. Er hat sowieso schon immer den Verdacht, dass man ihn mit allen seinen gesellschaftlichen Talenten, mit seiner Komödie, mit seiner Kochkunst, seiner Spaßmacherei, seinem Schneider- und Friseurgenie nicht recht ernst nimmt, dass man ihn als degeneriert und dekadent ansieht, dass man hinter den Oberflächlichkeiten und Schnurrpfeifereien des Boulevardlebens nicht das fleißige, tüchtige, ehrenwerte und bei aller Genußfreudigkeit ernst und begeistert um seine Ideale ringende Volk der Revolutionsideologien, der bahnbrechenden Forscher und der großen Duldsamkeitsapostel erkennen will. Kommen so herablassend-beleidigende Lobsprüche für Vorzüge und Leistungen, in denen der Franzose trotz aller Boulevard-Blague und Selbstironie nicht den wahren Wert seiner Nation sieht, nun gar von deutscher Seite, so erregen sie ganz besonderen Aerger, denn Frankreich glaubt immer noch der alte Grandseigneur zu sein, der seinerseits den Nachbar Michel weiter zu erziehen hätte, wie er ihn in früheren Jahrhunderten erzog."

Aus: Volkswille (Hannover) Nr. 198 v. 12. 10. 1915, Unterhaltungsbeilage (es handelt sich bei diesem Text um den auszugsweisen Nachdruck eines Artikels des in Paris ansässigen deutschen Schriftstellers Franz Wugk: "Zur Psychologie der französischen Deutschfeindschaft", erschienen im Oktoberheft 1915 der Jenaer Kulturzeitschrift "Die Tat").

Aus: Sammlung G. Schneider

Zahlreich sind die Kriegspostkarten, die die eigene Überlegenheit und Siegeszuversicht sowie die größere eigene Tapferkeit behaupten.

Mitte: "Nun aber wollen wir sie dreschen!" (Die drei Verprügelten sind von links nach rechts: "der Engländer", "der Franzose", "der Russe".)

Aus: Sammlung G. Schneider

Auch die Verhöhnung des Feindes oder seiner führenden Persönlichkeiten ist auf den deutschen wie auf den französischen Postkarten häufig anzutreffen. Von französischer Seite wird den deutschen Truppen mit Beginn des Krieges und dem deutschen Überfall auf das neutrale Belgien vorgeworfen, sie hätten zahlreiche Verbrechen an der Zivilbevölkerung (vor allem an Frauen und Kindern) begangen. In den Vorwürfen gegenüber "den Deutschen" taucht ein altes Vorurteil auf: Frankreich, dem Hort der "civilisation", des feinen Geschmacks und des edlen Menschentums, werden die Deutschen auf vielen Postkarten, in Gedichten und in zahlreichen Zeitschriften- und Buchveröffentlichungen als Barbaren gegenübergestellt.

Offensichtlich hat dieser Vorwurf, der im übrigen auch von englischer Seite vorgebracht wurde, eine wunde Stelle im Selbstverständnis der Deutschen getroffen, denn kaum waren derartige Vorwürfe laut geworden, wird deutscherseits eine Gegenkampagne gestartet, an der sich sogar der Kaiser [3] beteiligte: Den Franzosen wird vorgeworfen, Soldaten aus den französischen Kolonien rekrutiert zu haben, die sich nicht gerade als "Kulturpioniere [4] " auszeichnen würden. Der französischen "civilisation" wird die deutsche "Kultur" gegenübergestellt, die ernsthafter sei und tiefer ginge als die oberflächliche "civilisation".

Quelle links: Sammlung G. Schneider                    Quelle rechts: Zeyons a.a.O., S.32

Und: Kann ein Volk als barbarisch [5] bezeichnet werden, das wie das deutsche immense Mittel zur sozialen Sicherung seiner Bevölkerung und für die schulische Ausbildung seiner Jugend ausgibt, dessen kulturelle Leistungen unübertroffen sind und das selbst im Krieg noch beträchtliche Anstrengungen unternimmt, um Kulturdenkmäler [6] (auch und gerade solche im Feindesland) zu schützen. Geschickt wird der Vorwurf, die Deutschen hätten sich im Krieg als plündernde, Frauen und Kinder schändende, die Zivilbevölkerung malträtierende Soldateska aufgeführt, aufgegriffen: Jetzt erscheinen Kriegspostkarten, auf denen unter dem Motto "Wir Barbaren" deutsche Soldaten in der Etappe zu sehen sind, wie sie die hungernde Zivilbevölkerung der Feindstaaten mit Nahrungsmitteln versorgen, deren Kinder auf dem Schoß halten und mit ihnen spielen usw. Während einige also dem Begriff eine positive Note [7] zu verleihen suchen, warnen [8] andere davor, ihn auf diese Weise zu verwenden. Noch nach Ende des Krieges wird vor dem nun wieder als Zivilist auftretenden "Boche" gewarnt: Er habe sich nicht wirklich geändert, sondern sei derselbe, der im Kriege gebrandschatzt und hilflose Frauen und Kinder getötet habe.

Quelle links: Zeyons a.a.O., S. 32                                Quelle rechts: Zeyons a.a.O., S.55

Quelle: Stéphane Audoin-Rouzeau: La guerre des enfants.  Essai d`histoire culturelle, Paris 1993, Abb. 9 nach S. 96.

Quelle: Les affiches de la Grande Guerre; direction: Véronique Harel, Péronne 1998, S. 97.

 

Weniger bösartig als der Vorwurf deutschen Barbarentums sind bildliche Darstellungen, auf denen deutsche Soldaten zu sehen sind, wie sie im Feindesland requirierte Wertgegenstände wegschleppen.

Quelle links: Zeyons a.a.O., S.132               Quelle mitte und rechts: Zeyons a.a.O., S.37