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'Zaghafte Verständigungsinitiativen'
 
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Zaghafte Verständigungsinitiativen

Intellektuelle und Wissenschaftler bauten nach dem Zweiten Weltkrieg kaum Brücken zwischen beiden Ländern. In ihrer Mehrzahl standen sie einer engeren französisch deutschen Zusammenarbeit eher desinteressiert oder sogar ablehnend gegenüber, und zwar aus mehreren Gründen: Intellektuelle und Wissenschaftler waren im Ersten und Zweiten Weltkrieg teils an der Mobilisierung der nationalen Öffentlichkeit gegen das Nachbarland beteiligt gewesen wie manche Romanisten, Germanisten oder Historiker, teils hatten sie - vor allem als Franzosen - unter der Besatzung durch das andere Land gelitten oder am Widerstand teilgenommen wie der berühmte Historiker Fernand Braudel [1] , der Jahre in deutscher Kriegsgefangenschaft zubringen musste, oder sein Kollege Marc Bloch [2] , den die Gestapo ermordete.

Abbildung 6:

Marc Bloch (1886 - 1944)

Marc Bloch war einer der großen Historiker des zwanzigsten Jahrhunderts. Er wurde 1886 als Sohn einer elsässischen Familie jüdischer Herkunft geboren. Am 16. Juni 1944 wurde er in der Nähe von Lyon als Widerstandskämpfer von der Gestapo erschossen. Bloch, der zuerst an der Strasburger Universität, später dann an der Pariser Sorbonne lehrte, war ein herausragender Spezialist auf seinem Gebiet der spätmittelalterlichen Geschichte. Gleichzeitig war er ein innovativer Gelehrter, der mit seinen Darstellungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und seinen zahlreichen Schriften zur Methologie neue Impulse zu geben verstand. 1929 gründete er mit seinem Freund Lucien Febvre [3] die Zeitschrift Annales, um die sich eine der fruchtbarsten historischen Schulen bildete. Ihr Kennzeichen ist insbesondere ein interdisziplinärer und vergleichender Ansatz.

Quelle: www.cmb.hu-berlin.de/cmbde/presentation/index1.html [4]

Schon in der Zwischenkriegszeit hatten sich Angehörige der wissenschaftlichen und kulturellen Eliten meist als feindliche Rivalen betrachtet und behandelt. Wissenschaftler, Künstler und Intellektuelle waren nach so langen Jahren der Entfremdung nur noch wenig mit den wissenschaftlichen Trends und den Fachsprachen des anderen Landes vertraut; auch die Versöhnungswilligen unter ihnen fanden oft keine gemeinsame Sprache mehr. "Die Kontakte zwischen den französischen und deutschen Historikern sind schon vor langer Zeit verloren gegangen", schrieb Fernand Braudel 1959 über sein Fach, die Geschichtswissenschaft. "Deshalb führt oft ein schlecht gewähltes Wort oder ein hastiges Argument zu einer sinnlosen Diskussion."

Abbildung 7:

Fernand Braudel (1902-1985)

In der Folge der berühmten Ecole des Annales, die als Wiege der modernen Geschichtsschreibung gilt, revolutionierte Fernand Braudel die Art, in der Geschichte konzipiert und aufgezeichnet wird. Aus den Humanwissenschaften (vor allem Geographie und Wirtschaft) schöpfend, führte er die Geschichte der Menschheit in der Vielfalt ihrer Rhythmen zu einer globalen Vision der Geschichte - einer Vision, die weit über die Grenzen Frankreichs hinausstrahlte.

 

 

 

Quelle: n.V. (11.02.2004)

Nur eine Minderheit von Wissenschaftlern und Intellektuellen engagierte sich für die Verständigung beider Länder. Dazu gehörten auf französischer Seite Angehörige des "comité français d'échanges avec l'Allemagne nouvelle", das 1948 von einem Kreis bekannter Germanisten, Philosophen und Journalisten an der Sorbonne gegründet wurde. Zu seinen Mitgliedern zählten auch Joseph Rovan [5] und Alfred Grosser [6] , die später eine wichtige Vermittlerrolle zwischen der französischen und der deutschen Öffentlichkeit spielen sollten. Dazu gehörte auch das von Jean du Riveau gegründete CECES [7] , das ebenfalls auf den Austausch und die Versöhnung zwischen Franzosen und Deutschen ausgerichtet war und die in Frank­reich und Deutschland heute noch bestehenden Zeitschriften "Documents [8] " und "Dokumente [9] " herausgab.

Auf deutscher Seite ist hier vor allem das 1949 gegründete "Deutsch Französische Institut [10] " in Ludwigsburg zu nennen, das sich - mit dem Romanisten und Historiker Fritz Schenk an der Spitze - in der Anfangszeit vor allem auf Austausch und Begegnungsprogramme konzentrierte und von dem damaligen württembergischen Landespolitiker Carlo Schmid unterstützt und später auch geleitet wurde. Auch das 1951 in Mainz eröffnete Institut für europäische Geschichte [11] arbeitete vor allem an der Verständigung zwischen der französischen und deutschen Geschichtswissenschaft. Diese Verständigungsprojekte hatten allerdings alle gegen eine ablehnende oder desinteressierte Tendenz nicht nur im Wissenschaftsmilieu, sondern auch in der Öffentlichkeit zu kämpfen.

Abbildung 8:

Alfred Grosser

wurde 1925 in Frankfurt/Main geboren, ist seit 1937 französischer Staatsbürger und lehrte bis zu seiner Emeritierung am Institut d´études politiques in Paris. Der einflussreiche und international bekannte Politikwissenschaftler sieht sich als Mittler zwischen Franzosen und Deutschen. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter zuletzt "Verbrechen und Erinnerung" (1990), "Mein Deutschland" (1993) und "Deutschland in Europa" (1998). Seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 hat Alfred Grosser, Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, die deutsche Politik ebenso aufmerksam wie kontinuierlich begleitet.

Quelle: www.lauf.de/literaturtage/2002/autoren.html