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'"Subversive Aktion"'
 
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"Subversive Aktion"

Seit Mitte der 1960er Jahre stellten radikale revolutionäre Zellen die Aktionsformen des SDS in Frage. So sammelten sich beispielsweise in deutschen Großstädten Künstler und Intellektuelle in kleinsten Zellen in der "Subversiven Aktion [1] ", die aus der Situationistischen Internationale [2] hervorgegangen und 1963 gegründet worden war. Sie beriefen sich auf den Marxismus und die Psychoanalyse, vertraten aber keine klare politische Linie, sondern brachten ein Konglomerat von Ideen zum Ausdruck, die sie zunächst in der Zeitschrift "Unverbindliche Richtlinien" und später in der Zeitschrift "Anschlag [3] " öffentlich diskutierten. Dieses Ideengemisch war stark von Adorno [4] und Marcuse [5] beeinflusst, insbesondere von deren Thesen über die "Konsumökonomie", "die Ware Mensch" und "die totalitäre Verwaltung des Alltagslebens".

Abbildung 3:

Herbert Marcuse, einer der Väter der Kritischen Theorie, die dem neuen Gesellschaftsmodell der "68er" zu Grunde lag, an der Freien Universität Berlin 1968

 Internet-Quelle [6]

Die grundlegende Kritik an der Konsumgesellschaft und die Rezeption der Theorien der "Frankfurter Schule [7] " über die Mechanismen der psychosozialen Entfremdung hatten die "Subversive Aktion" davon überzeugt, eine besondere Form des Kampfes zu propagieren: Es ging nicht mehr darum, an großen kollektiven Aktionen teilzunehmen, sondern einen individuellen und permanenten Kampf an allen Fronten der Gesellschaft zu führen, in der Schule, in der Familie, in der Fabrik, in den Theatern usw. Nur die tagtägliche Revolte, selbst wenn sie infinitesimal war (die Gruppe nahm in diesem Begriff eine Kategorie von Marcuse auf), würde es dem Individuum erlauben, seine eigenen Emanzipationserfahrungen zu machen. Die "Subversive Aktion" versuchte ihr revolutionäres Postulat der "Erziehung in der Aktion" bei verschiedenen Anlässen umzusetzen. Der Aktionismus der Rebellen wurde jedoch bald von der Berliner Sektion der "Subversiven Aktion" als existentialistische Revolte kritisiert. Unter Einfluß des Soziologiestudenten Rudi Dutschke [8] und unter dem Eindruck der Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt stellte diese fest, dass die sozialen Auseinandersetzungen weltweiten Charakter hatten.

Abbildung 4:

Rudi Dutschke mit Augstein 1967 bei einer Veranstaltung in der Universität Hamburg

 

 

 

 

Internet-Quelle [9]

Die Mitglieder der Berliner "Subversiven Aktion" zogen die Schlussfolgerung, dass die traditionellen Kategorien des Klassenkampfes und der kollektiven Aktionen weiterhin Gültigkeit besaßen, wenn man sie auf internationale Ebene und auf den Globalkapitalismus ausdehnt. In der auf Imperialismus basierenden Totalität Weltgesellschaft sei nicht länger das Proletariat das revolutionäre Subjekt. Das System des modernen Kapitalismus habe sich dieses einverleibt und ein unerschöpfliches Arsenal an institutionellen, wirtschaftlichen, sozialen und psychologischen Stabilisatoren geschaffen, um es zu integrieren und seine Apathie aufrechtzuerhalten. Die wirklich revolutionären Subjekte seien die armen und unterdrückten Völker der Welt, weil sie die bewusste Erfahrung der Unterdrückung durchleben. Die revolutionäre Bewegung in den Metropolen, das heißt die entstehende Studentenbewegung, die selbst Erfahrungen mit der Repression an den Universitäten gemacht haben, könne sich in diesen Kampf der Dritten Welt gegen den Imperialismus einreihen. Durch direkte und illegale Aktionen in den Industriestaaten könne sie "die Bresche schlagen", das Zentrum des Imperialismus schwächen und sich so aktiv mit den Befreiungsbewegungen der Dritten Welt solidarisieren. Diese wiederum würden dem Kapital seine Reproduktionsmöglichkeiten entziehen und früher oder später die Gegensätze und Antagonismen der Klassen in den Metropolen wiederherstellen.

Die internen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern des utopistischen Modells und der Dritten Welt-Fraktion führten 1966 zur Auflösung der Gruppe "Subversive Aktion". Die "Dutschkisten" infiltrierten den SDS in der Absicht, diesen zu radikalisieren. Andere schlossen sich zusammen in der Kommunenbewegung, von der weiterhin eine starke Faszination auf die entstehende Studentenbewegung ausging.