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'Zerstreut und zurückgezogen'
 
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Zerstreut und zurückgezogen

Nach dem Krieg stieg die Zahl der Einwanderer in wenigen Jahren wieder an und pendelte sich bei rund 30.000 Deutschen ein. Den Vorkriegsstand sollte sie nicht wieder erreichen. Als eine der ersten waren die Hessen wieder in Paris, die überwiegend in die gleichen Viertel zogen. Insgesamt lebten die Deutschen nach dem Krieg 1870/71 jedoch "sehr zerstreut und zurückgezogen" (Endote 15). Viele gaben sich als Schweizer oder als Österreicher aus, um nicht Opfer französischer Rachegelüste zu werden. Deutsche Handwerker fanden nur noch bei deutschen Meistern Anstellung. Die deutschen Pfarrer hatten einige Mühe, ihre Gemeinde wieder um sich zu sammeln. 1875 konnte schließlich die deutsche Schule wieder eröffnet werden.

Nach wie vor übte Paris auf arbeitssuchende Deutsche eine große Anziehungskraft aus, wenn auch der industrielle Aufschwung in Deutschland und die belasteten deutsch-französischen Beziehungen diese Tendenz abschwächten. Jetzt kamen verstärkt qualifizierte Arbeiter - vor allem in den Jahren der Weltausstellung 1889 und 1900 - sowie Angestellte, Kaufleute, Kellner und Dienstmädchen. In La Villette ließen sich besser situierte deutsche Familien nieder, z. B. Handwerker aus der Pelz- und Lederbranche, und das Niveau der Gemeinde war entschieden gehoben.

Auch waren es hauptsächlich alleinstehende, berufstätige junge Leute, die in Paris einige Zeit arbeiten wollten. 74% der deutschen Frauen und 91% der deutschen Männer waren erwerbstätig, das ist mehr als z. B. bei den italienischen Einwanderern (90% der Männer, 49% der Frauen), die im Familienverband oder bei den amerikanischen Einwanderern, die hauptsächlich zu Studienzwecken nach Paris kamen. Besonders hoch war die Zahl der deutschen Frauen, die als Erzieherinnen, Kinder- oder Dienstmädchen nach Paris kamen.

Von Bismarcks Sozialistengesetzen vertrieben, kamen seit dem Ende der 1870er Jahre auch wieder deutsche politische Flüchtlinge nach Paris. Deutsche Sozialisten und Anarchisten trafen sich in einem "Sozialistischen Leseclub" in Paris und unterhielten vielfältige Kontakte zu französischen Gleichgesinnten. Durch ihre Korrespondententätigkeit für deutsche Publikationen, die Übersetzung von deutschen und französischen Artikeln in die jeweils andere Sprache sowie durch persönliche Kontakte bildeten sie Berührungspunkte und leisteten so einen wichtigen Transfer zwischen beiden Ländern. Auch hier war es wieder die soziale Kritik, die eine Brückenfunktion zwischen den politischen und den wirtschaftlichen Emigranten einnahm. 1907 gründeten verschiedene Sektionen in den französischen Gewerkschaften ein deutsches Gewerkschaftskartell mit einer eigenen Zeitschrift (Endnote 16).

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