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Vorbemerkung

Die Irak-Krise hat ein Novum geschaffen, das eingehend kommentiert werden sollte, nämlich, dass Frankreich und die Bundesrepublik (beinahe) gemeinsam gegen die Vereinigten Staaten Stellung beziehen. Ich weiß wohl, dass Selbstzitate überheblich klingen – und doch möchte ich wiedergeben, was ich 1978 im Vorwort meines Buches Les Occidentaux (deutsch: Das Bündnis. Die westeuropäischen Länder und die USA seit dem Krieg) geschrieben habe. Es ging darum, die bevorzugte Rolle der beiden Länder anders zu rechtfertigen als durch meine besondere Kenntnis von beiden:

Kann nicht (der Autor) mit gutem Gewissen behaupten, dass selbst ein peruanischer oder japanische Autor genau dieselben Länder ins Zentrum gestellt haben müsste? Sind sie doch sowohl die zwei Schwerpunkte in der Geschichte Westeuropas seit einem Vierteljahrhundert als auch die beiden Extremfälle der verschiedenen Situationen und Verhaltensweisen in den Beziehungen zu den Vereinigten Staaten? General de Gaulle contra Franklin D. Roosevelt, dann contra Harry Truman; Pierre Mendès France contra John Foster Dulles in den Kontroversen um Indochina und um die Europäische Verteidigungsgemeinschaft; der wütende Antiamerikanismus anlässlich der Suez- und der Algerienkrise; die Außenpolitik der Fünften Republik, errichtet auf dem Gedanken einer gegenüber dem großen Verbündeten zu wahrenden oder herzustellender Unabhängigkeit; die Anprangerung des US-Imperialismus durch eine mächtige Linke: Die schärfsten transatlantischen Gegensätze waren und sind noch immer die französisch-amerikanischen.

Der übermächtige Einfluss der USA auf ein Westdeutschland, das zunächst auf den Status eines willenlosen Objekts reduziert worden war; die Geburt der Bundesrepublik als Kind des Kalten Kriegs und Zwillingsschwester des Atlantikpakts; eine Außenpolitik auf Basis des Vertrauens, das man der amerikanischen entgegenbringen und das man ihr einflößen müsse; die Entscheidung vor einer Wiederherstellung der nationalen Einheit zunächst eine Ideologiegemeinschaft gegen die im Osten gesehene Bedrohung zu schaffen; der anhaltende Wille, nie die transatlantische Dimension der europäischen Probleme zu vernachlässigen…: Die Bundesrepublik ist durchaus ein Extremfall, das genaue Gegenteil Frankreichs, während beide Länder zugleich den Kern eines im Entstehen begriffenen Europas bilden.


Was ist heute anders geworden? In Frankreich und im wiedervereinigten Deutschland? Beide Länder sollen zunächst in ihrer Lage getrennt dargestellt werden, bevor auf die Irak-Krise eingegangen wird. Dies benötigt aber eine Betrachtung der USA von George W. Bush und auch, weil sonst vieles unverständlich bleibt, einen kritischen Blick auf das Israel von Ariel Scharon. Erst dann darf und soll man die Bedeutung untersuchen, die die Beziehungen beider Länder zu Amerika für die Entwicklung des heutigen und des bald erweiterten gemeinschaftlichen Europas haben.

Abbildung 1:

Antiamerikanische Demonstration während des Vietnamkrieges

 

 

 

Internet-Quelle

Eine Vorbemerkung ist noch notwendig: warum von den Ländern sprechen und nicht von den Staaten und den Regierungen, die im Namen der Staaten und der Länder sprechen? Weil, wie zur Zeit meines Buchs, die Versuchung besteht, alles auf die diplomatischen Beziehungen zu reduzieren und somit alles zu vereinfachen. Ich hatte es ja selbst bereits in meinem zitierten Absatz gegenüber der Bundesrepublik getan. Der deutsche Antiamerikanismus zur Zeit der Studentenbewegung und des Vietnam-Kriegs, dann in der Debatte um die Nachrüstung - er hat in den siebziger und achtziger Jahren einen politischen Einfluss ausgeübt und er war nun in der Irak-Krise keineswegs verschwunden, wenn er auch wahrscheinlich von Gerhard Schröder überschätzt, jedenfalls unrichtig eingeschätzt worden ist. Andererseits muss man, gestern wie heute, die Parteienlandschaft in Betracht ziehen. Robert Schuman hat (leider) John Foster Dulles gegen Mendès France beeinflusst, Jean Monnet hat gegen de Gaulle die Präambel zum Ratifizierungsgesetz des Elysée-Vertrags durch den Bundestag mitgeschrieben – und Angela Merkel sowie Roland Koch haben ihrerseits 2003 in Washington gewiss nicht versucht, die Irak-Politik von Gerhard Schröder zu erklären!

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