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Weltpolitik

Es gibt zahlreichen Bücher, Artikel, Reden und Stoßseufzer über die Zunahme der weltumspannenden Vernetzung von immer mehr Menschen mitsamt ihrer wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Lebensumstände sowie über die asymmetrische Interdependenz von Ländern und Kontinenten. Wenn das richtig beobachtet ist, und nichts spricht dagegen, dann müssen alle politischen Akteure ihr politisches Verhalten, ganz besonders aber die Staaten ihre Außenpolitik, in einen globalen Kontext stellen und entsprechend neu justieren. Früher waren die Nachbarstaaten die "natürlichen" Kooperationspartner, aber häufig kamen von ihnen auch die gefährlichsten Bedrohungen der eigenen Sicherheit. Jahrhundertlange "Erbfeindschaften" wie die zwischen Frankreich und Großbritannien oder zwischen Frankreich und Deutschland waren zwischen zwei Staaten auf verschiedenen Kontinenten kaum vorstellbar; es war die unmittelbare Nachbarschaft, welche die günstigsten Chancen zur Kooperation, aber auch die besten Gelegenheiten für Konflikte bot.

Dies hat sich geändert, nicht schlagartig, sondern nach langen Anlaufphasen. Aber spätestens seit der Mitte des 20. Jahrhundert wurde die Irrelevanz von Grenzen (und in gewissem Sinne auch von Entfernungen) auf dem Planeten für bestimmte technologische Entwicklungen und ihre Folgen deutlich: die Kommunikationstechnologie etwa, die Rüstungstechnologie oder eine Reihe von ökologischen Gefährdungen.

Diese Elemente der Globalisierung [1] stellen schwierig zu meisternde Herausforderungen für nichtstaatliche und staatliche Akteure dar, vor allem auch deshalb, weil ihre Dynamik, Richtung, die wichtigsten Handlungsfelder und ihre Konsequenzen nicht eindeutig auszumachen sind. Es wird darüber heftig gestritten, in der Politik ebenso wie in der Politikwissenschaft.

Die prinzipielle Ausweitung des Aktionsradius staatlicher Außenpolitik auch von Mittelmächten und Kleinstaaten über den gesamten Planeten einerseits und das Wegschmelzen der Kategorien Entfernung (in räumlicher Perspektive) und Verzögerung (in zeitlicher Perspektive) andererseits bewirken neuartige Integrations- und Fragmentierungsprozesse im internationalen System. Manche Beobachter gehen so weit, die Zukunft des Staates als Organisationsform von Herrschaft und die Zukunft der neuzeitlichen Staatenwelt (des "Westfälischen Systems internationaler Beziehungen") in Frage zu stellen. Mag dies auch von einem Überschuss an Einbildungskraft zeugen, so lässt sich doch nicht leugnen, dass die Staaten insgesamt um eine Neukalibrierung ihrer Außenpolitik nicht herum kommen. Dies gilt in besonderer Weise auch für neuartige politische Gebilde wie die Europäische Union, über deren institutionelle Gestalt am Ende des Integrationsprozesses (intergouvernementales Bündnis, föderaler Staatenbund, supranationaler Bundesstaat) gerätselt wird. Da dieser Integrationsprozess zwar nicht monopolartig, aber doch maßgeblich von Deutschland und Frankreich bestimmt wird, muss die diesbezügliche Politik beider Staaten von einem besonderen Verantwortungsbewusstsein getragen sein.