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'Ein Territorium ohne feste Grenzen: Vorderösterreich und Oberrhein in vornationaler Zeit'
 
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Ein Territorium ohne feste Grenzen: Vorderösterreich und Oberrhein in vornationaler Zeit

Ein gutes Beispiel für das gegenwärtige Interesse an historischen Vorbildern für Konzepte von Lokalität bieten die früheren habsburgischen Länder bzw. Vorderösterreich, deren ehemalige Gebiete heute zu Frankreich, Deutschland, der Schweiz und Österreich gehören.

Abbildung 7:

 Vorderösterreichische Gebiete links, rechts und südlich des Rheins bis 1648 (hellgrau) mit revolutionären Zentren Ende des 18. Jh. [1]

 

 

Württembergisches Landesmuseum Stuttgart (Hrsg.): Vorderösterreich - nur die Schwanzfeder des Kaiseradler? - Die Habsburger im deutschen Südwesten. Stuttgart 1999, S. 215. 

Aus zahlreichen kleineren Herrschaften sowie zähringischen Herrschaftsgebieten am Oberrhein im Hoch- und Spätmittelalter erwachsen, bildeten die vorderösterreichischen Besitzungen zwischen Strasbourg, Freiburg i. Br., Basel, Konstanz und Zürich am Ende des Ancien Régime eines der größten Territorien im mittleren Europa. Trotz seiner geographischen Ausdehnung und seiner politischen Bedeutung ist dieses territoriale Gefüge im 19. Jh. ganz von den politischen Karten verschwunden. Erst die Wiederentdeckung Europas aus transnationaler und translokaler Perspektive hat dieses Territorium mit seiner politischen Vergangenheit neu erstehen lassen. Inwiefern?

Die Geschichte Vorderösterreichs - oder besser: diejenige der unterschiedlichen Gebiete, die zur sich stetig verändernden Ländergruppe Vorderösterreichs gehörten - reicht weit zurück. Sie ist verknüpft mit den Anfängen habsburgischer Herrschaft am Oberrhein an der Wende vom 13. zum 14. Jh.. In der Nachfolge der Zähringer [2] , die bis zum Beginn des 13. Jh.s in der Region am Oberrhein aktiv gewesen waren, hatten es die Habsburger [3] in der Herrschaftsnachfolge der Zähringer und Staufer [4] verstanden, ihre Herrschaft in dieser Region nach und nach auszubauen.

Abbildung 8:

Die Hochkönigsburg im Elsass [5]  - ein wichtiger Stützpunkt Habsburgischer Herrschaft im Elsass seit dem 16. Jh.

Karte des Leber und des Weitertals mit Ansicht der Hohkönigsburg, 16. Jh., Papier, Federzeichnung H. 44,5 cm, B. 32,5 cm. Innsbruck, Tiroler Landesarchiv, Karten und Pläne 267 Quelle: Spätmittelalter am Oberrhein (Große Landesausstellung Baden-Württemberg) 2 Teile, 3. Bde., Teil 2, Bd. 1: Alltag, Handwerk und Handel 1350-1525, Stuttgart 2001, S. 23.
Spezialliteratur.: Dorothea A. Christ, Zwischen Kooperation und Konkurrenz. Die Grafen von Thierstein, ihre Standesgenossen und die Eidgenossenschaft im Spätmittelalter, Zürich 1998.

Dem Jan Thorbecke Verlag ist für die Druckgenehmigung dieser Karte zu danken

Benannt nach ihrem Stammsitz "Habsburg", die auf dem Gebiet der heutigen Schweiz lag, hatten die Habsburger schon seit dem 11. Jh. in Gebieten des oberen Elsass zwischen Séléstat und dem Basler Umland sowie im nördlichen Aargau um Zürich weitreichende herrschaftliche Rechte ausgeübt. Seit dieser Zeit haben die Habsburger stets versucht, ihre Herrschaftsbasis in dieser Region zu erweitern und Herrschaftsrechte entweder durch Kauf, Tausch, Erbschaft oder mitunter auch im Handstreich oder durch andere politische Schachzüge zu erwerben. Im 14. und 15. Jh. war ihre Herrschaft in dieser Gegend am ausgedehntesten. Ein abgeschlossenes Territorium mit protostaatlichen Strukturen haben die Habsburger in dieser Region aber nicht etablieren können. Links des Rheins stießen solche Versuche immer wieder an die Grenzen der elsässischen Reichsstädte und anderer Herrschaftsträger, rechts des Rheins hatten zuerst die Staufer, dann die Württemberger und immer wieder Herren kleinerer benachbarter Herrschaften Rechte in dieser Region zu wahren. Die Habsburger stießen bei ihren Versuchen, ein möglichst abgerundetes Territorium zu schaffen aber nicht nur links und rechts des Rheins auf Widerstände. Auf den Gebieten der heutigen Nordschweiz entwickelten sich die Dinge ähnlich. Um 1499 schließlich war es für die Habsburger politisch sinnvoll, formell auf ihre althergebrachten Ansprüche in dieser Gegend zu verzichten. Von nun an verlegten sie ihre politischen Schwerpunkte endgültig auf weiter östlich gelegene Gebiete. Nachdem nach 1648 die vorderösterreichischen Gebiete im Elsass in das französische Staatsgebiet integriert worden waren, geriet das rechts des Rheins übrig gebliebene Stück Vorderösterreich mit dem Breisgau, dem Schwarzwald und den schwäbisch-österreichischen Teilen vollends in eine Randlage. Von nun an entwickelten sich hier um die Städte Freiburg, Konstanz und Günzburg kleinräumige Subzentren, die zentral nicht zu steuern waren und sich einem von Wien aus eingeleiteten Verstaatlichungsprozess entzogen: das Vorderösterreich des 18. Jh.s war aus lokaler Perspektive betrachtet kaum mehr als die Summe einzelner Verwaltungsakte; einer Durchstaatlichung fügte es sich nicht. In dem Gebiet, das sich über die ehemaligen vorderösterreichischen Territorien beschreiben lässt, also zwischen Vogesen und Schwarzwald bis in die Zürcher Gegend hinein, bildeten sich indessen Regionen übergreifende wirtschaftliche, soziale und kulturelle Strukturen aus. Die Uhrenproduktion und der Uhrenhandel in der nördlichen Schweiz und im rechtsrheinischen Schwarzwald liefern ein ebenso anschauliches Beispiel hierfür wie der spätmittelalterliche Handel mit Elsässer Steinzeug oder die Handelsbeziehungen der Straßburger Glasmalerwerkstätten [6] .