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'Theoretische Erklärungsansätze'
 
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Theoretische Erklärungsansätze

Die in groben Zügen geschilderten regionalen Disparitäten und Entwicklungspotenziale innerhalb der EU lassen sich nur vor dem Hintergrund globaler ökonomischer Entwicklungstrends erklären. Diese Trends haben einerseits direkte Auswirkungen auf die Regionen Europas, zum anderen entwickeln die politischen und ökonomischen Entscheidungsträger in den Regionen verschiedene Anpassungsstrategien, um mit dem raschen Wandel Schritt zu halten. Im Überblick lassen sich die folgenden Rahmenbedingungen bzw. Entwicklungstrends nennen, die sich im räumlichen Gefüge Europas niederschlagen:

  • Die Globalisierung der Wirtschaft und eine Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung.
  • Die Schaffung des Binnenmarktes und die weiter fortschreitende politische und ökonomische Integration der europäischen Staaten.
  • Der politische Umbruch in Osteuropa und die Vereinigung der beiden deutschen Staaten.
  • Die zunehmende Zentralisierung von ökonomischen Entscheidungen auf wenige multinationale Konzerne und damit wenige Metropolen.
  • Das Ende fordistischer Technologien und der Abbau unproduktiver Management- und Produktionsstrukturen.
  • Der Einsatz und die rasche Verbreitung neuer Informations- und Telekommunikationstechnologien.
  • Die Einschränkung der finanziellen Handlungsmöglichkeiten vieler Staaten (z.B. Staatsverschuldung).

Verschiedene Autoren haben versucht, die beschriebenen Entwicklungstendenzen bzw. ihre räumlichen Konsequenzen modellhaft zu skizzieren. Als bekanntestes Raumbild hat sich die "Blaue Banane" herausgebildet. Zumindest mittelfristig werden die heute schon wachstumsstarken und hochverdichteten Regionen vom Binnenmarkt besonders profitieren. Die Agglomerationsräume London, Randstad Holland, Brüssel, Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Rhein-Neckar, Oberrhein, Basel/Zürich und Oberitalien (Mailand, Turin) wachsen demzufolge zu einer zentraleuropäischen Entwicklungsachse zusammen, deren Vorrangstellung durch den Kanaltunnel [1] und die geplanten Alpentransversalen [2] noch weiter gefestigt wird.

Das inflatorische Vorkommen der "Banane" in nahezu allen wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Publikationen, in Schulbüchern und sonstigen Abhandlungen, die sich mit den räumlichen Folgen der europäischen Integration beschäftigen, verdeckt jedoch die Tatsache, dass es sich bei diesem eingängigen Bild ursprünglich um eine politische Aussage handelte. Roger Brunet [3] , Mitglied der französischen Raumordnungsbehörde DATAR [4] , hatte dieses Bild aus einer Untersuchung über die Attraktivität der europäischen Städte abgeleitet und wollte damit die französische Regierung auf bestehende Defizite in ihrer Regional- und Raumordnungspolitik hinweisen. Nur so ist zu erklären, dass die wirtschaftsstarken und dynamischen Regionen um Paris [5] und Lyon (Rhône-Alpes [6] ) bei diesem Bild ausgespart bleiben (SINZ 1992: 686). Die kritiklose Übernahme dieses Raumentwicklungsmodells entfaltete in den 1990er Jahren eine Eigendynamik, die das Wirken von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern beeinflusste. Den genannten Kernräumen stehen strukturschwache Peripherieräume gegenüber.

Abbildung 12:

Entwicklungszonen in Europa

 

 

 

 

Quelle: SCHÄTZL (1993: 28); 
eigene Bearbeitung 

In Anlehnung an Entwicklungstrends in den USA wird häufig auf die Entstehung eines europäischen sunbelts verwiesen. Diese, durch wachsende Standortpräferenz zukunftsorientierter Wirtschaftszweige geprägte Zone, erstreckt sich entlang der Mittelmeerküste von Nordspanien (Barcelona [7] ) über das südliche Frankreich (Marseille [8] , Nizza [9] ) bis zur norditalienischen Adriaküste. Neben der Verlagerung von Forschungseinrichtungen und Industriebetrieben spielen hier vor allem der Tourismus und die wachsende Zahl von Alterswohnsitzen eine wichtige Rolle.

Die Suche nach Erklärungsmustern für räumliche Differenzierungsprozesse stellt sowohl in der sozial- als auch in der ökonomischen Theorie ein kontrovers diskutiertes Forschungsfeld dar. Es existiert keine einzelne, allumfassende Theorie, die den komplexen regionalen Strukturwandel in den europäischen Regionen erklären könnte. Allerdings leisten einige Theorieansätze [10] wesentliche Beiträge zum besseren Verständnis des regionalen Differenzierungsprozesses.